Band 1: Ein dunkler, verzerrter Spiegel | Teil IV: Der Ruf der Maschine |
Wenn man Commander David Corwin jedesmal eine Zulage gegeben hätte, wenn er Gefahr lief, sein Leben zu verlieren, hätte er jetzt genug Geld, seinen eigenen Mond zu kaufen und vor diesem ganzen verdammten Krieg an irgendeinen sicheren Ort zu fliehen. Andererseits würde das dann auch jeder andere tun, der von den Erdstreitkräften noch übrig war. Corwin war den Erdstreitkräften nicht in den alten Zeiten, in denen die Erde ihren noch eine Bedeutung gab, beigetreten, aber er hatte die Zeichen gesehen. Das größte aller Abenteuer, hatten sie gesagt. Hätten sie es doch nur gewußt.
Um sein Leben in irgendeinen Zusammenhang zu bringen - auf einen Minbari-Kreuzer direkt vor ihm hinunter zu starren, über einem scheinbar verlassenen Planeten, der tatsächlich weit entfernt davon war, verlassen zu sein, auf den der Captain heruntergegangen war, zusammen mit dem größten noch lebenden Narn-Helden und einem mysteriösen Fremden, der eine Menge vom Schicksal und der Großen Maschine herumstammelte, mit einer Minbari-Satai an Bord - mit der sich der Captain scheinbar angefreundet hatte, trotz des Faktes, daß sie eine Satai war, die den Krieg gegen die Erde mitgeführt hatte und daher nichts weniger als einen langsamen und unnötig qualvollen Tod verdient hatte - und auf der Brücke zu sein und nicht weniger.... war ein Arbeitstag.
Welcher Arbeitstag, schien egal zu sein.
Die Strategie, die Minbari zu bekämpfen, war vom Captain eine Weile lang detailliert umrissen worden. Man hatte gedacht, einen Minbari-Kreuzer zu zerstören, wäre unmöglich. Sie waren schneller als Erd-Schiffe, stärker als Erd-Schiffe und hatten eine Art von Tarntechnologie, die es unmöglich machte, sie anzuvisieren.
Und dann war da noch die Black Star gewesen.
Das Minbari-Flagschiff, nichts weniger, und der Captain hatte es zerstört. Corwin war zu der Zeit noch nicht an Bord der Babylon gewesen, aber er erinnerte sich der Feierlichkeiten, nachdem die Neuigkeiten die Erde erreicht hatten. Ja, der Captain hatte Minen benötigt und ein gefälschtes Notsignal, und wenn schon! Es hatte funktioniert. Die Minbari konnten geschlagen werden. Es hatte ihnen allen Hoffnung gegeben.
Hoffnung, die leider fehl am Platz gewesen war. Nicht einmal der Captain konnte viel gegen die vernichtende Minbari-Attacke tun, die über die Erde gekommen war und fortschritt, den gesamten Planeten zu zerstören. Kaum jemand überlebte. Und dann wandten sich die Minbari dem Mars zu und der Captain traf ein, ließ Feuer und blinde Wut niederregnen, und zwang sogar die Minbari dazu, sich lange genug zurück zu ziehen, damit Menschen entkommen konnten. Einer von ihnen war David Corwin und das Schicksal hatte eingegriffen.
Und nun war David Corwin erster und befehlshabender Offizier an Bord der Babylon und auf den Minbari-Kreuzer herunterstarren war eine Routineangelegenheit, auch wenn er das Gefühl von panischer Angst und Zorn nie ganz verlor, wenn er die Wesen anstarrte, die seine Heimat und seine Familie ausgelöscht hatten. Rache starb nie, und soweit es David Corwin anging, war sie ein Gericht, das am besten heiß serviert wurde.
Außer, daß er auf diesem Schiff selbst eine Minbari hatte.
Corwin war sich nie sicher, was er von Satai Delenn halten sollte. Er hatte nie viel mit ihr zu tun gehabt und wollte es auch dabei belassen. Er hatte Bruchstücke des Verhörs durch Sicherheitsoffizier Welles gehört und wußte, daß sie zu Beginn des Krieges eine große Rolle gespielt hatte. Andererseits schien der Captain ihr zu vertrauen - er hatte sogar ihr Verhör beendet und ihr ein Quartier an Bord des Schiffes überlassen, etwas, das ihm eine riesige Auseinandersetzung mit der Widerstandsregierung eingebracht hatte. Corwin war sich nicht sicher, warum der Captain das für eine Minbari tun würde, aber der Captain war nun mal der Captain und er mußte seine Gründe haben. So ertrug er ihre Anwesenheit, aber er mußte sie nicht mögen.
„Es war die Trigati,” sagte Satai Delenn. „Sie müssen mich mit ihnen sprechen lassen.”
Corwin hörte nicht zu. Er kannte das Prozedere, ein Minbari-Schiff zu bekämpfen, schon fast auswendig. Man konnte sie mit Raketen nicht erwischen, also mußte man Streufeuertechniken anwenden und hoffen, die richtige Frequenz und Richtung zu erwischen. Man schickte auch die Starfuries raus, um sowohl die Minbari-Flyers zu beschäftigen als auch die Kreuzer mit mehr Streufeuer anzugreifen. Wenn man genug Zerstörung anrichtete, um eine Wärmesignatur des Schiffes zu erhalten, zog man die Starfuries als eine Wand zurück und schoß die wärmempfindlichen Fusionsbomben - die zu überhöhten Preisen von den Narn verkauft wurden - ab und ließ sie zu den Minbari fliegen. Manchmal klappte es nicht, aber meist funktionierte es, besonders, wenn das Glück und die Fähigkeiten des Captains sie führte.
Corwin war nicht der Captain und er hatte weder sein Glück noch seine Fähigkeiten, aber er hatte Ausdauer. Der Captain war auf dem Planeten unter ihm und hatte Anweisungen der Widerstandsregierung, ihn zu beanspruchen. Corwin würde sich eher dem Weltraum aussetzen, als der Grund für das Scheiterns des Captains zu sein.
Vorausgesetzt natürlich, er hatte eine Wahl.
* * * * * * *
Captain Sheridan hatte währenddessen seine eigenen Probleme....
Der Boden unter seinen Füßen wackelte. Er war sich über den genauen Vorgang nicht im Klaren, aber sowohl Zathras als auch sein fast identisch aussehender Begleiter hatten gesagt, daß wenn Varn starb, auch die Maschine mit ihm starb. Ein Bewacher war nötig, um die Maschine und den Planeten - wenn es zwischen beiden einen Unterschied gab - in stabilem Zustand zu halten. Aufgrund Varns offensichtlich schlechter Gesundheit war der Planet in allem anderen als einer stabilen Verfassung und die Maschine reagierte automatisch auf alles, was sie als Bedrohung betrachtete.
So wie die beiden Schiffe, die gerade im Orbit waren. Sheridan fing eine Nachricht der Minbari ab, in der mitgeteilt wurde, daß eine Rakete auf ihr Schiff abgeschossen wurde. Sie nahmen an, daß sie von der Babylon kam, wohingegen sie in Wirklichkeit von der Maschine kam. Die Minbari wußten das entweder nicht, oder es interessierte sie nicht. Unter anderen Umständen wäre es ihm vielleicht möglich gewesen einzugreifen, aber er hatte im Moment alle Hände voll zu tun.
Der Minbari-Captain griff ihn mit dem Stab an, indem er diesen zu seinem Kopf schwang. Er schaffte es, sich zu ducken und zurückzuspringen, wobei er sowohl dem Stab als auch herunterfallenden Steinen und dem bebenden Boden ausweichen mußte.
Sheridan hatte schon einige Male im Nahkampf gegen Minbari gekämpft. Die letzte dieser Begebenheiten hatte ihm ziemliche Kopfschmerzen und eine Hinreise in Ketten nach Minbar eingebracht. Seit dieser Begebenheit hatte er ein bißchen dazugelernt.
Regel 1. Minbari waren schneller als er, viel schneller. Sie waren auch stärker und konnten diese verdammt schweren Stäbe führen, als wären sie aus Luft gemacht. Bleib ihnen fern, wenn es möglich ist.
Regel 2. Wenn du sie aus einiger Entfernung erschießen kannst, mach das. Es war zwar nicht fair, aber das war sowieso nichts in diesem Krieg.
Er versuchte sein bestes, Regel 1 zu gehorchen und Regel 2 zu befolgen, aber er brauchte solange, sein Gleichgewicht wiederzufinden, daß er kaum noch Zeit hatte, seine PPG zu ziehen und zu zielen, und er wußte, daß er nur eine Chance hatte, sie zu benutzen.
„G'Kar!” schrie er. „Helfen Sie mir, verdammt noch mal!”
Er war sich nicht sicher, ob der Narn ihn gehört hatte, oder nicht. Wenn G'Kar es hatte, gab er kein Zeichen und überließ Sheridan dem Kampf allein.
* * * * * * *
Lyta Alexander hatte seit Monaten nicht mehr gut geschlafen. Natürlich war ein traumloser Nachtschlaf das Privileg von jemandem, der nicht alles mit der Erde verloren hatte, aber in diesem Fall lag es anders. Es waren keine Alpträume über die brennende Erde, sterbende Menschen oder Minbari. Es waren.... es waren seltsame Träume. Sehr seltsame Träume.
Es war nur eine Stimme. Es war eine gesungene Symphonie, die viele Stimmen zu einer vereinigte. Eine Stimme, die einfach eine Frage immer und immer wieder stellte.
Wer bist Du?
Sie sang in ihren Träumen und hallte in ihren Gedanken wider. Manchmal hörte sie sie, wenn sie wach war oder arbeitete. Sie mußte von nun an weniger mit den Narn-Händlern arbeiten, weil sie die Stimme immer dann hörte, wenn sie jemanden scannte. Es gab nur wenig offizielle Arbeit, um sie zu beschäftigen, seit Captain Sheridan Satai Delenn mitgenommen hatte - und Lyta war darüber sehr glücklich. Delenn zu scannen war die brutalste und traumatischste Erfahrung, die sie je erlebt hatte.
Das alles ließ sie allein zurück, allein mit der Stimme, die sang und eine Frage stellte, die sie nicht beantworten konnte. Und wenn sie allein war, hörte sie sie noch lauter.
Hatte sie deshalb begonnen, Marcus zu verfolgen? Sie war sich nicht sicher, ob er so an ihr interessiert war, wie sie an ihm. (Gott, diese Augen! Sie brachten ihr in ihren Träumen Trost.) Aber sie verfolgte ihn trotzdem, weil sie es nicht ertragen konnte, allein zu sein. Sie drängte sich an ihn und brachte ihre Beziehung auf ein Tempo, mit dem er nicht glücklich war, aber sie machte trotzdem weiter. Wenn er hier war, verbrachte sie, wenn sie konnte, jeden Moment mit ihm, in der Hoffnung, die Stimme mit seiner Nähe zu verdrängen. Sie wußte, daß er als Captain Sheridans Bodyguard beschäftigt war, aber sie mußte trotzdem bei ihm sein.
Wenn er nicht da war, trank sie, in der Hoffnung, es so weit treiben zu können, daß sie die Stimme nicht mehr hörte. Narn-Spirituosen waren auf Proxima wahrscheinlich am einfachsten aufzutreiben. Es gab viele, die sich danach sehnten, sich und ihre Erinnerungen im Alkohol zu ertränken. Lyta hatte nur wenige Freunde, die sich um sie sorgten, aber Marcus mochte es nicht, wenn sie trank. Er hatte einst selbst getrunken und fürchtete offensichtlich, daß sie so enden würde wie er. Sie hatte auch diese Angst, und trank nie, wenn er bei ihr war. Es verletzte ihn und außerdem war seine Anwesenheit genug, die Stimme zu verdrängen.
Aber jetzt war Marcus fort, hatte Proxima vor ein paar Tagen mit Captain Sheridan für eine Mission verlassen. Er war nun in Gefahr. Sie konnte es fühlen. Sie wußte nicht genau, was es war, aber sie konnte die Gefahr spüren, in der er schwebte. Sie war so oft in seinem Geist gewesen - normalerweise ohne sein Wissen oder seine Erlaubnis - daß sich ihre Gedanken mit seinen verbunden hatten. Sie konnte fühlen, wie sein Herz schneller schlug und Gedanken des Entsetzens aufstiegen. Sie wollte bei ihm sein.... sie wollte....
Aber nicht da, wo Sheridan war. Sie hatte ihn einmal gescannt, aus Neugier, und sie war von der bloßen Wut in ihm entsetzt. Sheridan war innerlich schon tot. Sein Körper hatte es nur noch nicht gemerkt. Sie befürchtete, daß Sheridans Todeswunsch ihn in eine Situation bringen würde, aus der er nicht mehr herauskam und daß Marcus bereitwillig mit ihm gehen würde.
„Wer bist Du?”
„Ich weiß es nicht!” schrie sie als Antwort. „Laß mich allein! Wer bist Du? Was willst Du?”
Wieder Schmerz. Sie hätte daran denken sollen. Stelle nie diese Frage. Niemals.
„Es tut mir leid,” hauchte sie. „Es tut mir leid.... Ich verstehe es nicht.”
„Verständnis ist ein dreischneidiges Schwert. Wach auf!”
„Was?”
„Sie sind hier. Wach auf!”
Schreiend wachte sie auf, obwohl es ihr kaum eine Hilfe gegen die Stimme war. Sie konnte etwas fühlen... draußen, nicht weit weg. Es bewegte sich und sah sie an. Ihr Herz fing an, schneller zu schlagen. Sie hörte ein summendes, knisterndes Geräusch.
Der Besitzer der Stimme in ihrem Kopf war wütend.
Lyta fühlte, wie sich ihr Mund öffnete, aber die Worte, die herauskamen, waren nicht mit ihrer Stimme gesprochen. „Verschwindet! Sie sind nicht für Euch bestimmt! Verlaßt diesen Ort! Nein!”
Das Knistern verschwand and sie plumpste auf ihr Bed zurück, zu müde, zu erschöpft, zu verängstigt, selbst um zu denken. Ihr ganzer Körper war mit Schweiß bedeckt und jeder Muskel schmerzte.
Lyta Alexander schlief diese Nacht nicht mehr, aber das bedeutete nicht, daß sie nicht träumte.
* * * * * * *
„Lyta?”
Marcus Cole flüsterte ihren Namen langsam, ehrfurchtsvoll. Er verstand nicht, warum. Lyta war sicherlich auf Proxima. Sie war in Sicherheit. Sie konnte nicht in einer Starfury sein und auf einen riesigen Minbari-Kreuzer hinunterschauen.
„Ist alles in Ordnung, Marcus?” sagte eine Stimme über das Com-Link. Es war Lieutenant Neeoma Connally, Befehlshaberin über die Starfury-Schwadron Alpha. „Noch nie im Kampf gewesen, mmh?”
„Äh.... nein. Nicht auf diese Weise.”
„Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird schon alles gut gehen. Das Schiff ist weitaus größer als wir. Wissen Sie, dadurch ist es auch leichter zu treffen.”
„Und was ist mit ihren Flyers? Davon gibt es mehr.”
„Genau, dadurch sind sie auch besser zu treffen.”
„Sie sind ziemlich optimistich, oder? So wie.... Katherine.”
„Was?”
„Nichts. Nicht so wichtig.”
Man erwartete, daß Marcus Captain Sheridans Bodyguard war. Er sollte dort sein, wo der Captain war. Er war kein Starfury-Pilot. Aber nein, der Captain mußte ja ohne ihn auf den Planeten runtergehen, und nun mußte Marcus mit einer Starfury gegen den Stolz der Minbari-Flotte fliegen, obwohl er nur ungefähr dreißig Übungsstunden hatte.
Katherine hätte ihm gesagt, er sei zu pessimistisch, aber Katherine war verschwunden, war im Inferno, das Vega 7 eingehüllt hatte, gestorbem. Sie war tot und er hatte ihr nie gesagt, wie sehr er sie liebte. Wie konnte er auch? Sie war die Frau seines Bruders gewesen. Und sein Bruder war auch tot.
Und nun sah Marcus auf die Wesen herab, die er für verantwortlich hielt. Tief drinnen wußte er jedoch, daß es nicht die Minbari waren, die die Vega 7-Kolonie zerstört hatten. Er erinnerte sich an das schwarze Schiff, das von der Oberfläche aufgestiegen war, und an das zweite, das gekommen war, um es mitzunehmen. Aber diese Schiffe waren nicht hier, dafür jedoch die Minbari.
„Feuer nach eigenem Ermessen,” sagte Neeomas Stimme erneut. „Oh, und bleiben Sie am Leben, ja?”
Es war ein Rat, den Marcus befolgen wollte, aber er bezweifelte, daß es jemanden störte, wenn er das nicht tat.
* * * * * * *
G'Kar erhob seinen Kopf und seine Augen trafen sich mit denen des Minbari, der ihm gegenüber, über Varns sterbenden Körper gebeugt, darkniete. Der Minbari - Draal - sah ihn an und nickte langsam. Wen auch immer die Maschine für passend hielt, würde sie erben. Es gab hier keinen Platz für Rassenvorbehalte. Narn. Minbari. Krieger. Lehrer. Nichts davon zählte.
Die Maschine war alles.
„Die.... Maschine.... wird Dir alles sagen.... was Du wissen mußt,” krächzte Varn. „Vieles.... instinktiv.... aber es dauert.... eine Weile.... es zu lernen. Du mußt.... stark.... sein.... vorbereitet.... sein.... ah.”
„Beeilung!” sagte Zathras. „Maschine versagen und Varn sterben. Ja, nicht gut.”
„Nein nein,” sagte Mathras. „Varn sterben und Maschine versagen. Du immer falsch sagen. Einer von Ihnen müssen Varn ersetzen, ja. Die Maschine stabilisieren, und....”
Der Schuß einer PPG wurde abgegeben und Mathras erschrak. Er hob seinen Kopf, und G'Kar wußte, daß er Sheridan und Kalain noch kämpfen sehen konnte.
„Nein nein!” sagte Mathras. „Dürfen nicht kämpfen! Nicht hier! Nicht jetzt! Das nicht sein Platz zum Kämpfen, nein!”
„Nicht funktionieren,” antwortete Zathras. „Viele Jahre des Hasses nicht werden durch Worte davongewaschen. Maschine betreten, Planet stabilisieren und dann sie am kämpfen hindern.”
G'Kar sah Draal an. Der alte Minbari verstand. Er fühlte einen Ruf der Maschine. Er fühlte im Herzen, daß er recht hatte. G'Kar nickte mit dem Kopf. Draal erhob sich auf die Füße und taumelte vorwärts. Seine Bewegungen waren langsam und der Boden bebte jedes mal immer mehr. Zathras ging Draal hinterher, zeigte ihm Teile der Maschine, während G'Kar und Mathras neben dem sterbenden Varn zurückblieben.
G'Kar empfand kein Bedauern. Dies sollte die Festung des Lichts sein. Es gab nur wenige Plätze wie diesen. Außerdem wurde er in G'Khorazhar gebraucht, bei seinen Agenten, seinen Rangers. Der Feind mußte bekämpft werden.
Er blickte zu Draal auf, der sich neben der Höhle niederließ, die Varn beinhaltet hatte. Nach Zathras' Anweisungen war Draal gerade dabei, die Maschine zu betreten....
Lärm, Licht und Bewegung zugleich begleiteten den PPG-Schuß, der Draal direkt in den Rücken traf. Der Minbari stürzte nach vorn. Zathras versuchte, ihn aufzufangen, aber G'Kar sah, daß es hoffnungslos war. Draal war entweder schon tot oder starb.
Der gesamte Planet bebte, als ob er denjenigen betrauern würde, der fast sein Hüter gewesen wäre.
* * * * * * *
Susan Ivanova mußte drei Korridore entlanglaufen und zweimal eine Pause einlegen, bevor sie aufhörte zu zittern. Sie wußte, daß ihre Angst unbegründet war und sie eine Aufgabe zu erfüllen hatte, aber sie konnte sich nur an die Stimme erinnern, die zu ihr gesprochen hatte, eine Stimme, die genau gewußt hatte, wer sie war und wen sie repräsentierte. Diese Stimme schien sich sogar auf ihre Alliierten auszuwirken, die sie das erste mal in Jahren allein ließen.... verängstigt.
Warum war sie nur hier? Ihre Mission heute nacht betraf Lyta gar nicht. War das eine Art perverser Selbstbestrafung oder eine Chance, ihre größte Angst zu überwinden?
Wenn es dies war, funktionierte es nicht. Sie ängstigte sich nun sogar mehr als vorher.
„Ja, ich weiß,” flüsterte sie. „Ich weiß.” Ihre Verbündeten sprachen zu ihr. Sie waren wütend. Sie hatte ihr Geheimnis gefährdet. Ein Feind war hier.
„Ich werde mich um sie kümmern,” sagte sie. „Bitte, vertraut mir.”
Und nun zum Vorhaben der Nacht zurück. Ivanova wußte, wo sie hingehen mußte, und ihr kleiner Umweg, um Miss Alexander zu sehen, hatte sie kaum Zeit gekostet. Ihre Alliierten waren mit der Tarntechnologie sehr großzügig gewesen, so daß keiner der Sicherheitsleute sie sah, als sie hinter ihnen herschlich. Soweit es alle anderen betraf, schlief sie in ihrem Raum.
Vize-Präsident Morgan Clark dachte das sicherlich auch. Er war sehr überrascht, als sie ihn aufweckte.
„Licht,” murmelte er. Sie legte ihre Tarnausrüstung ab und stand am Rand seines Bettes, wobei sie beobachtete, wie der Schleier des Schlafs durch das wachsende Verstehen in seinen Augen ersetzt wurde. Er war allein. Seine Frau war auf dem Mars gestorben und er hatte nicht wieder geheiratet.
„Junge Dame, was tun Sie hier?” fragte er. „Ich bin....”
Junge Dame? Sie war sich nicht sicher, ob sie sich geschmeichelt oder herablassend behandelt fühlen sollte.
„Sie sind für meine Freunde sehr wertvoll, Vize-Präsident,” sagte sie. „Sie sind ergeizig und unmoralisch. Wir mögen solche Qualitäten. Sie können es weit bringen, und das werden Sie auch. Mit unserer Hilfe.”
„Was? Was meinen Sie?”
„Was wollen Sie, Vize-Präsident? Was wollen Sie?”
„Was meinen Sie? Wie sind Sie an den Wachen vorbeigekommen?”
„Das ist meine Sache. Nun? Oh, Sie brauchen nicht antworten. Ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen Macht. Sie wollen, daß die Menschheit ihren rechtmäßigen Platz zurück erhält. Sie wollen der Architekt sein, der die Menschheit restauriert. Wir bewundern Wünsche wie diese. Sie können uns eine große Hilfe sein, Vize-Präsident, und als Gegenleistung werde ich Sie meine Freunde sehen lassen.”
Sie konnte sehen, wie sich seine Augen weiteten, als die beiden Schatten an ihrer Seite sichtbar wurden. Er schnappte nach Luft, unfähig, etwas zu sagen....
„Und wir haben ein kleines Geschenk für Sie.” Susan öffnete ihre Hände.
Das Auge des Wächters öffnete sich.
* * * * * * *
Sheridan war sich nicht sicher, was passiert war. Er hatte es geschafft, seine Waffe doch noch zu ziehen und Kalain auf Distanz zu halten. Der Boden war instabil und er hatte seinen Gegner noch nicht getroffen.
Der Boden hatte wieder gebebt und diesmal war es Kalain, der das Gleichgewicht verloren hatte. Sheridan war wieder standfest und zielte....
.... und die Erde erschütterte. Er war zur Seite gefallen, als er feuerte. Sein Schuß hatte Kalain einfach verfehlt, und ein Loch in Draal gerissen.
Kalain hatte es bemerkt und sah Draal für eine Minute lang einfach an. Sheridan war zu benommen, um zu schießen.
Und dann richtete Kalain seine Aufmerksamkeit wieder auf Sheridan.
Er lud nach.
* * * * * * *
Marcus hatte in dieser Phase aufgehört zu denken. Seine Hauptsorge galt dem Schiff, das bedrohlich vor ihm auftauchte, riesig, schön und tödlich zur selben Zeit. Er konzentrierte sich darauf, dem Feuer auszuweichen und es zu treffen, egal wie schwach. Wenigstens konnte er etwas tun.
Aber nein. Selbst das konnte er nicht.
„Marcus! Paß auf!” schrie Neeoma.
Er schreckte auf und ein Minbari-Flyer geriet direkt in sein Gesichtsfeld. Er schoß und riß ein Loch in Marcus' Maschinen. Er versuchte zu reagieren, aber seine Schüsse waren ungenau, zu schwach oder ineffektiv.
„Steig aus!” schrie Neeoma. „Marcus, steig aus!”
Zurück auf Proxima 3, schrie Lyta Alexander seinen Namen.
* * * * * * *
G'Kar schaute auf Draals Leichnam hinunter und dann Varn an. „Geh....” flüsterte der sterbende Fremde. „Geh....”
„Du gehört,” sagte Mathras. „Gehen zu Maschine. Nehmen Maschine. Jetzt Deine sein. Deine! Gehen!”
G'Kar verstand. Dann sollte dies sein Schicksal sein. Er erhob sich und rannte zum Herzen der Maschine. Der gesamte Planet war instabil. Er brauchte einen Wächter. Er brauchte ihn.
Zathras zeigte ihm, wie er sich an das Herz der Maschine anschließen mußte. G'Kar flüsterte ein Gebet zu G'Quan, als er dies tat....
Und die Maschine hieß ihn willkommen.
* * * * * * *
Sheridan merkte es zuerst dadurch, daß der Planet aufhörte zu beben. Dann dadurch, daß er durch eine unsichtbare Kraft auf den Boden geworfen wurde. Seine PPG wurde ihm entrissen. Er stöhnte, als er den Boden traf, und sah auf. Kalain war ebenfalls gefallen, seine Waffe weit weg. Und dann drehte sich Sheridan zum Herzen der Maschine.
„Es wird hier keinen Kampf geben,” sagte G'Kar. „Ich habe Euch gestoppt und ich habe auch Eure Schiffe angehalten. Dieser Ort muß ein Zufluchtsort vor der kommenden Dunkelheit sein. Es wird hier keine Gewalt geben. Dies ist ein Ort des Lichts.
„Jeder von Euch hat das Potential ein Soldat des Lichts zu sein. Wenn Ihr das erkennt, kehrt hierher zurück und legt einen Eid auf die Armee des Lichts ab. Aber nun geht und kehrt nicht zurück, bis Ihr bereit seid.”
Sheridan und Kalain wollten gerade protestieren, als G'Kar ihnen das Wort abschnitt. „Geht! Oder ich werde Eure Schiffe und Euch zerstören.”
Kalain sah Sheridan an. „Ich werde Dich sterben sehen, Sternenkiller.”
„Sagen Sie Sinoval, daß ich auf ein weiteres Treffen warte. Sie werden doch ein Treffen mit ihm vereinbaren, oder?”
Kalain knurrte und ging davon, wobei er sich seine Waffe wiederholte.
Sheridan hob seine eigene PPG auf, aber anstatt zum Shuttle zurückzukehren, ging er zu Draals Leichnam und schloß langsam die Augen des Minbari.
„Minbari machen das nicht mit ihren Toten,” G'Kar said.
„Ich weiß, aber Kalain schien ihn vergessen zu haben.”
„Er wird hier verbrannt werden. Er war immerhin fast ein Teil der Maschine. Sein eigenes Volk scheint ihn verlassen zu haben, aber das werden wir nicht.”
„Es.... tut mir leid. Es war nicht meine Absicht.”
„Dann sag das Delenn. Sie kannte ihn und sie liebte ihn. Sag ihr, daß es Dir leid tut. Nicht mir.”
Sheridan schaute G'Kar an und verbeugte sich. Er ging davon, kehrte zu seinem Shuttle zurück. Er verpaßte es, G'Kar in Staunen und Angst herumschauen zu sehen. „Heiliger G'Quan,” hauchte er. „Habe ich das richtige getan?”
„Natürlich,” antwortete Zathras. „Natürlich. Wir werden Dir beibringen wie Maschine zu benutzen und Du werden sie benutzen. Eine Festung des Lichts. Ganz allein in der Nacht, aber wenigstens es gibt nun eine Hoffnung.”
„Das nehme ich an. Ich werde Neroon und Ta'Lon kontaktieren müssen. Unsere vorherige Festung wurde zerstört. Wir haben nun eine neue.”
„Gut, gut. Ja, sehr gut. Manchmal, alles gehen doch gut aus.”
„Nicht für alle von uns.”
Zathras teilte G'Kars Blick zu Draal. „Nein. Nein, nicht für alle von uns, aber manchmal, für einige, alles gehen gut. Was geben es mehr?”
G'Kar schreckte plötzlich auf. Er wußte nicht genau was, aber etwas war nicht in Ordnung. Aber....
„Keine Sorgen machen,” sagte Zathras. „Nichts für uns zum eingreifen. Sein Schicksal, ja. Wir damals nicht darin verwickelt, wir jetzt nicht verwickelt sein dürfen.”
„Aber....” G'Kar verstand es plötzlich. „Ich habe das getan. Die Maschine tat es. Oder.... Ich werde es tun?”
Zathras lächelte.
* * * * * * *
Sheridan kehrte zur Babylon zurück und hörte Corwin zu, als er die vier Toten im Kampf sowie die Schäden der Hülle und anderer Systeme aufzählte. Die Große Maschine hatte eine Reihe von Raketen auf die beiden Schiffe abgeschossen, um sie daran zu hindern, sich gegenseitig zu zerstören und eine dieser Raketen hatte einigen Schaden am Sprungantrieb angerichtet.
Wieder einmal hatte die Babylon überlebt, aber zu welchem Preis. Marcus wurde ziemlich schwer verletzt, als sein Starfury zerstört wurde, aber er wurde geborgen und zum Medlab gebracht. Dr. Kyle sagte, daß er nur Ruhe bräuchte.
Sheridan merkte von dem kaum etwas. Er bat Satai Delenn einfach, ihn auf dem Aussichtsdeck zu treffen. Er sah traurig auf den Planeten herab und der Trigati nach, als sie davonflog. Er hatte sich einen neuen Feind gemacht, ein weiterer Tod war durch seine Hände verursacht, und vier weitere Crewmitglieder waren gestorben.
Er hatte auch seine Mission nicht erfüllt. Euphrates gehörte nicht zur Erdallianz. Er war von einem Narn übernommen worden, um einen Feind zu bekämpfen, der höchstwahrscheinlich der Verbündete war, der die einzige Hoffnung der Erdallianz darstellte.
Sheridan würde dafür noch mehr Probleme mit der Widerstandsregierung kriegen, aber das kümmerte ihn nicht. Mit denen konnte er umgehen. Er dachte nicht, daß er damit zurecht kam, Delenn zu sagen, wie er ihren Freund getötet hatte.
Aber er hatte gelernt, mit schwierigen Dingen umzugehen, und als Delenn, von zwei Sicherheitsleuten flankiert, ankam, sah er sie an und erläuterte langsam und methodisch die Details von Draals Tod.
Sie senkte ihren Kopf und es war ihr eine Weile lang unmöglich, zu sprechen, und als sie es doch tat, sagte sie „Ich wußte es. Irgendwie wußte ich es, als er er starb. Er war alles, was von meinem Vater übriggeblieben war.”
„Ich.... oh verdammt. Es tut mir leid. Es war.... ein Unfall.”
„Ich gebe Ihnen nicht die Schuld, Captain. Auch Kalain und G'Kar nicht. Es geschah einfach, aber das macht es nicht leichter, es zu ertragen. Ich.... ich werde ihn wiedersehen, wenn meine Seele wiedergeboren ist oder wenn ich hinter den Schleier trete, aber für jetzt.... scheint es, habe ich jeden verloren, den ich geliebt habe. Meinen Vater, Dukhat, Neroon, Mayan und nun Draal. Ich bin allein.”
Sheridan wußte nicht, was er sagen sollte. Er drehte sich einfach um und sah auf den Planeten unter ihm herab. Er schien nun so friedlich, so ruhig. Ein ungewöhnlicher Ort für eine neue Festung des Lichts.
„Er ist dort unten?” fragte sie. Er nickte. „Und er starb, als er versuchte, zu dienen?” Ein weiteres Nicken. „Er hätte sich selbst für andere geopfert?” Nicken. „Dann muß er glücklich gestorben sein. Ich freue mich für ihn.”
Sheridan sah sie an und ihre Augen trafen sich. Es herrschte Stille, als die beiden ohne Worte sprachen.
Und dann griff das Schicksal ein. Das ganze Schiff erschütterte. Sheridan fiel nach hinten an die Wand, während sich Delenn gegen das Plastik stützte. Sheridan aktivierte sein Link.
„Corwin, was zum Teufel ist los? Werden wir angegriffen?”
„Nein, Sir. Tachyon-Emissionen. Sie sind bis in den Himmel geschossen. Gott weiß was.... mein Gott!”
„Corwin, was ist?” Und dann sah es Sheridan auch. Aus dem Nichts tauchte es vor ihm auf, genau in seiner Sicht. Und er erkannte es.
Und er war nicht der einzige. „Heiliger Valen!” hauchte Delenn.
„Das ist unmöglich!”
Sie drehte sich zu ihm um. „Erkennen Sie es?”
„Yeah,” sagte er. „Das ist Babylon Vier.”
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