Band 1:  Die andere Hälfte meiner Seele Teil I:  Ein dunkler, verzerrter Spiegel




Kapitel 4


„GEFÄHRTEN Satai.”  Sinoval neigte langsam seinen Kopf, wobei er fast seine Kapuze herunterziehen wollte, um sein Gesicht vor dem leeren Lichtkreis auf der ihm gegenüberliegenden Seite der Kammer zu verstecken.  Er hatte diesen Augenblick so lange herbeigesehnt, aber jetzt, wo seine größte Gegnerin im Grauen Rat fort war, fühlte er sich seltsam.... beschämt.
      „Satai Delenn ist für uns verloren.”
      „Wie meinst du das, verloren?” brüllte Satai Lennann.  Er stammte aus der Religiösen Kaste, und war ebenfalls so neu im Rat wie Sinoval selbst.  Aber Lennann besaß keine Clan-Führerschaft, kein Kriegsschiff voller loyaler Krieger, keinen großen Ruf im Jihad gegen die Erdlinge, nichts, das ihn unterstützen konnte.  Er war einfach nur ein einfältig lächelnder Niemand, der hinter Delenn herschwänzelte.  „Was ist ihr zugestoßen?”
      „Der Sternenkiller ist geflohen.  Er hatte.... von irgendwo Hilfe.  Während seiner.... Flucht begegnete er Satai Delenn und nahm sie mit.  Als Geisel, vermute ich.  Ich schaudere zu denken, daß sie freiwillig mit ihm ging.”
      „Was sagst du da?” schrie Lennann.  „Beschuldigst du etwa.... ?”
      „Ich beschuldige niemanden, und ich sage nichts,” antwortete Sinoval mit knirschenden Zähnen.  Er haßte es, das zu tun, haßte es, Zweifel - wenn auch noch so indirekt - über ein Mitglied dieses Rates zu säen, aber es mußte getan werden.  Sheridan hatte bei seiner Flucht Hilfe gehabt, aber diese Hilfe war nicht von Delenn gekommen.  Und doch - wenn Delenn nicht beschuldigt werden würde, dann mochte sich die Untersuchung gegen Sinoval selbst richten - und gegen die Kreatur, die er schützte.
      Dennoch fühlte er eine Woge des Zorns, als er auf Lennann blickte.  Delenn hatte wenigstens Respekt verdient.  Im Gegensatz zu Lennann.  Hatte Delenn wirklich keine besseren Anhänger als ihn?  Er wußte, daß Sheridans törichter Angriff auf eben dieses Schiff kurz nach der Zerstörung der Erde zwei ihrer größten Befürworter getötet hatte, aber war Lennann wirklich der einzige, der für sie sprechen wollte?
      Nein, er war es nicht.  „Sie wird gefunden und gerettet werden müssen,” sagte Hedronn schroff und knapp wie immer.  Sinoval bewunderte den Mann.  „Sie ist eine der Neun.  Sie wird gefunden werden.”
      „Sheridan hat den Planeten verlassen.  Unsere Sensorsonden entdeckten ein Shuttle der Menschen, das die Atmosphäre verließ.  Aus irgend einem Grund alarmierten sie uns über diese Tatsache erst viele Stunden später.  Er hat sich zweifellos mit seinem Schiff getroffen.”
      „Dann.... sind sie für uns verloren?” hauchte Lennann, und seine Stimme war gefüllt mit einem Schmerz, den Sinoval selbst teilte.  Sie hatten Sheridan - den Sternenkiller - in ihrem Griff gehabt, gekauft von einer Narnregierung, die Sheridan ihre eigene Existenz verdankte.... nur um ihn wieder zu verlieren.  Und eine der Neun war mit ihm verschwunden.  Sinoval mochte Delenn nicht, aber sie war dennoch eine der Neun, genau wie er.
      Und das alles Dank den Machenschaften einer Kreatur, die er in dem gleichen Augenblick hätte töten sollen, als er sie sah.  Statt dessen war er neugierig geworden, hatte zugehört und gelernt....
      Und war gefallen.  Denn nicht umsonst nannte man sie die Todesbringerin.
      „Nein,” sagte Sinoval.  Blut schreit nach Blut.  Das Blut derer, die auf der Dralaphi und auf der Emphili getötet worden waren, das Blut zweier Satai, sogar Delenns Blut.  Das alles schrie nach Blut - Sheridans Blut.  „Sheridan ist ein Erdling und alle Erdlinge sind vorhersagbare Leute.  Er wird zu dem Ort seiner Gefangennahme zurückkehren, um seine vermißten Mannschaftsmitglieder zu finden und herauszufinden, warum er dort verraten wurde.  Er wird nach Vega Sieben zurückkehren.”
      „Dann glaube ich nicht, daß er von dort zurückkommen wird,” sagte Hedronn, und Sinoval stutzte.  Er hatte von dem ruhigen, entschlossenen Arbeiter keine solche Reaktion erwartet.  „Vega Sieben ist von einer Macht berührt worden, die viel größer als unsere eigene ist.  Unsere Sonden haben entdeckt, daß sich dort etwas.... bewegte.  Etwas Uraltes und Dunkles.  Etwas, das danach trachtet, wieder zu fliegen.”
      Sinovals Gesicht wurde weiß.

*    *    *    *    *    *    *

„Wie geht es ihr?” fragte Sheridan Dr. Kyle.  Es war eine wirklich recht einfache Frage, harmlos und beiläufig, die Sorte von Fragen, die er benutzen würde, wenn er sich nach der Gesundheit eines Freundes, oder eines Verwandten, seiner Frau Anna, oder sogar.... vielleicht.... in dem letzten Jahr, seiner Tochter Elizabeth erkundigte.
      Außer, daß das hier nicht Anna war, und Elizabeth war seit zwei Jahren tot.  Auch war das keine Verwandte, und sicherlich kein Freund.
      Satai Delenns Atmung war hart und unregelmäßig, aber die Bewegungen ihres Brustkorbs schienen zu einem gleichmäßigen Rhythmus zurückzukehren.  Er wußte noch immer nicht, was die Minbarifrau niedergestreckt hatte.  Er hatte nur den undeutlichsten Blick auf eine Bewegung und einen sanften Schrei mitgekriegt.  Ivanova hatte versucht, davon abzulenken, aber er wußte es besser.
      „Es geht ihr gut.  Minbari haben eine bemerkenswerte Konstitution.  Sie wird in wenigen Stunden auf ihren Beinen sein, vermute ich.  Eine Bauchwunde ist normalerweise schmerzhaft, aber wenn sie früh genug bemerkt wird, kann sie gerichtet werden.”
      „Gut, sie hat verdammt viele Fragen zu beantworten.”  Und sie ist nicht die einzige.  „Halten Sie mich auf dem Laufenden.”
      Sheridan verließ die kleinen Medlab-Einrichtung an Bord der Babylon in einem Gefühlskonflikt.  Seit er auf Vega 7 angekommen war, schien nichts richtig gelaufen zu sein.  Verraten von dem dortigen Narn-Verwalter, gefangengenommen von den Minbari, verhört, mit Folter bedroht und dann.... eine interessante Unterhaltung mit der Frau, die nun im Medlab lag.  Er hätte sie angreifen, vielleicht sogar töten können, also warum hatte er es nicht getan?  Er hatte ihr gesagt, daß er nicht mochte, das Erwartete zu tun, aber war das die ganze Wahrheit?  Warum roch sie so quälend noch Orangenblüten, und wer war die Frau, die ihn gerettet hatte?
      Beginne am Ende und arbeite dich zum Anfang.  Nicht unbedingt Sherlock Holmes, aber er hatte wenigsten einen Ort, um zu beginnen.
      Er fand Commander David Corwin genau dort, wo er ihn zu finden erwartet hatte, in seinem Bereitschaftsraum, gleich neben der Brücke, über Sternenkarten und technischen Daten brütend.
      „Irgendwas Neues über die Reparaturen?” fragte Sheridan.  „Haben Sie alle fertigstellen können, bevor....?”
      „Die meisten, Sir.  Die Hüllenintegrität ist wieder zurück auf über achtzig Prozent.  Die Kommunikation, die Navigation und die Rotation sind alle wieder in Betrieb, so wie unsere Sprungtriebwerke, obwohl sie immer noch ein wenig instabil sind.  Sie brauchen eine vollständige Reparatur, wenn wir wieder nach Proxima zurückkehren.  Wir können die Hülle um die Beobachtungskuppel nicht reparieren, und die externen Kameras, die Achterngeschütze sowie die Starfury-Auswurfluke C sind noch immer inoperabel, Sir.”
      „Das ist nicht gut, aber es könnte schlimmer sein.”
      „Äh, Sir.... vielleicht ist es das.  General Hague von der Widerstandsregierung befahl mir in sehr eindeutigen Worten, Sie und die anderen.... äh... zurückzulassen, Sir.”
      „Also sagten Sie sich, vergiß ihn.”
      „Im Grunde, ja.”
      „Das war eine unglaublich dumme und verantwortungslose Sache, Mr. Corwin.  Dennoch, ich kann Ihnen nicht genug dafür danken.  Tun Sie das bloß nicht wieder.”
      Corwin lächelte.  „Nein, Sir.”
      Nicht zum ersten Mal fiel Sheridan auf, wie jung sein Commander und leitender Offizier war.  Zu jung, um auf der Erde zu kämpfen, war er einer der hunderttausend Flüchtlinge gewesen, die kurz nach der Schlacht um die Erde bei der Schlacht über dem Mars entkommen waren, wo Sheridan seinen selbstmörderischen Angriff auf den Grauen Rat gestartet hatte.  Der Unterschied war, daß jene anderen Flüchtlinge nicht ihren Weg hinauf zur Brücke gemacht und das Ruder übernommen hatten, als der Lieutenant, der es bemannte, getötet worden war.  Sheridan hatte Corwin auf der Stelle zu einem zweiten Lieutenant gemacht, und seitdem war Corwin fast genauso schnell befördert worden wie Sheridan selbst.  Einer von vielen, die an seinen Rockzipfel hafteten.  Einer von vielen, die vermutlich einen einsamen, sinnlosen Tod auf einer fremden Welt sterben würden.
      „Ich habe da eine andere Frage, David.  Eine mehr.... persönliche.  Woher kennen Sie Miss Ivanova?”
      „Susan?  Sie war bei den Erdstreitkräften, Sir.  Sie trat noch auf der Erde ein und war fort auf einem Trainings-Ausflug auf Ganymed, als die Minbari die Erde einnahmen.  Irgendwie gelangte sie nach Proxima Drei und schaffte es, sich dem persönlichen Stab von General Franklin anzuschließen.  Ich traf sie dort, als die Babylon vor ein paar Jahren neu ausgerüstet und ausgebessert wurde.  Die Widerstandsregierung bestand darauf, daß ich irgendwo stationiert war, wo sie ein Auge auf mich behalten konnten.  Ich glaube nicht, daß sie mir damals trauten, und nach dieser Sache werden sie es bestimmt nie mehr tun.”
      „Ich werde mich darum kümmern.”
      „Danke, Sir.  Jedenfalls traf ich Susan und.... nun.... die Dinge wurden.... ähm....”
      „Ich bin ein verheirateter Mann, David.  Ich verstehe.”
      „Danke, Sir.” Corwin errötete.  „Dann wurde ich wieder hierhin versetzt, und Susan wurde auf eine geheime Mission für General Hague geschickt.  Sie nannten sie das Babylon-Projekt - nach diesem Schiff.  Ich weiß nicht, was sie genau tat, aber wir blieben in Kontakt und trafen uns, wann auch immer wir konnten, aber.... nun.... sie war auf einer geheimen Mission in der Randzone.  Wir hörten einen Bericht, daß ihr Shuttle abgestürzt und jeder an Bord umgekommen war.  Ich war.... ziemlich.... bestürzt darüber, Sir.”
      „Ja, ich erinnere mich.  Gott, warum habe ich damals nichts bemerkt?  Warum habe ich sie niemals bemerkt.... oder Sie?”
      „Ich denke, daß wir alle damals ein wenig wahnsinnig waren, Sir.  Wahnsinn braucht eine Weile, um zu heilen.”
      „Manchmal heilt er niemals, Mr. Corwin.”  Sheridan erhob sich und verließ den Raum.  Er war müde und er hatte immer noch mehr Fragen als Antworten.  Er wollte ein wenig Schlaf, bevor er auf Vega 7 ankam.  Schlaf und ein paar Antworten.  Und seine Tochter....
      Es war nicht seine Tochter, die ihn erwartete, als er die Tür öffnete.  „Wie?  Wie kamen Sie hier herein?”
      Susan lächelte.  „Nur ein Klacks.”  Sie lag auf seinem Bett.  Vollkommen nackt.  „Kommen Sie herein oder nicht?”  Sheridan konnte nichts anderes tun, als im Türeingang zu stehen und sie anzustarren, während sich Annas Bild fast über den Anblick vor ihm legte.  Er bemerkte den schwächsten Hauch von Orangenblüten.
      Er schloß die Augen und weinte leise.
      Dann machte er einen Schritt vorwärts und die Tür schloß sich hinter ihm.

*    *    *    *    *    *    *

„Komm schon, Warren, laß uns nicht hängen.”
      „Tut weh.... Doktor...”
      „Verdammt!  Ich wünschte.... Ich wünschte, ich könnte mich erinnern, was zu tun ist.  Ich habe erst vor ein paar Jahren aufgehört, ein Arzt zu sein.  Warren!”
      „Wieviel können wir für ihn tun, Stephen?  Sie können ja diese Wunde dort sehen.”
      „Ich werde ihn nicht sterben lassen, Neeoma.”
      „Sie werden es vielleicht müssen.”
      „Irgendein Wort von der Babylon bis jetzt?”
      „Nein.”
      „Komm schon, Warren.  Stirb mir nicht.  Wage es ja nicht!”

*    *    *    *    *    *    *

„Wer sind Sie?”
      Susan lächelte.  „Das ist eine sehr philosophische Frage.  Wann wurden Sie zu einem Vorlonen?”
      Sheridan schritt in seinem Zimmer langsam auf und ab, während Susan lässig auf dem Bett lag, lächelte, und aussah, als ob sie hier mehr zu Hause wäre als er.  Und warum auch nicht?  Er war ja kaum jemals hier.  Wenn er auf der Babylon war, dann war er stets entweder auf der Brücke oder in dem Bereitschaftsraum, oder er flog eine Starfury.  Susan sah so heimisch aus in seinem Bett.  Das ist Annas Platz.  Sie gehört hierhin.
      „Sie wissen, was ich meine.  Nachdem Sie drei Jahre lang tot waren, erscheinen Sie einfach in einer Minbarizelle, gerade rechtzeitig, um mir zur Flucht zu verhelfen.... und wir tun das mit einer minimalen Anstrengung und einer bewußtlosen Satai.  Alles das Werk Ihrer.... Freunde.  Warum?  Ich meine.... ich verstehe das alles nicht.”
      „Sie brauchten vor einer halben Stunde nichts zu verstehen.”
      „Ich brauche es jetzt.”
      „Ah.  Sie haben mit David gesprochen, schließe ich daraus.  Ein netter Junge, und was wir zusammen hatten, war Spaß, aber das war alles - Spaß.  Ich wußte immer, daß er es weit bringen würde.  Ein Commander, wie?  Gut, gut, gut.  Dennoch... ich habe mich verändert.  Ich bin anders, seit ich auf Z'ha'dum gewesen bin.”
      „Z'ha'dum?  Die Operationsbasis Ihrer.... Freunde.  Was sind sie?  Außerirdische?  Menschen?  Ich sah ein wenig von dem, was Delenn getroffen hatte, und das war etwas, was ich niemals zuvor gesehen habe.”
      „Sie sind Außerirdische.  Und ich würde Ihnen nicht raten, zu versuchen, ihren Namen auszusprechen, es sei denn, Sie können natürlich Walisisch.  Er ist zehntausend Buchstaben lang.”  Sie hielt inne, und nahm einen tiefen Atemzug.  „Ich bin nicht sicher, wie ich Ihnen das erklären soll.  Sie sind alt, sehr alt, und sie sind mächtig, aber.... alles, was sie wollen, ist in Frieden zu leben.  Der Planet, auf dem mein Shuttle abstürzte - Z'ha'dum - ist ihre Heimatwelt, und ein sehr heiliger Ort für sie.  Sie beten dort etwas an - aber ich weiß nicht, was.
      „Dennoch, meine Freunde.... sie haben einen lang andauernden Groll gegen die Minbari.  Alles, was meine Freunde tun wollen, ist in Frieden zu leben, aber die Minbari lassen sie nicht.  Ich weiß nicht warum, aber ich vermute, daß die Vorlonen etwas damit zu tun haben.  Vor einem Jahrtausend haben meine Freunde versucht, nach Z'ha'dum zurückzukehren, nachdem sie vertrieben worden waren.  Die Minbari erhoben Einwände, und gingen soweit, daß sie Z'ha'dum mit Hilfe der Vorlonen und ein paar anderer, lange toter Rassen angriffen.  Meine Freunde waren gezwungen zu fliehen, aber sie ließen ein paar zurück, verborgen vor den Minbari.  Ich.... zog sozusagen ihre Aufmerksamkeit auf mich, als ich auf ihre Köpfe abstürzte.  Sie waren eigentlich sehr freundlich.  Oder, nun, sie waren es, als ich ihnen die Situation erklärte.  Sie wollen nach Z'ha'dum zurückkehren und dort leben, aber da gibt es die Minbari und die Vorlonen zu bedenken.  Also bieten sie uns an, uns zu helfen, weil sie wissen, was wir durchmachen.  Sie wollen die Minbari nicht zerstören, aber sie werden es tun, weil sie lediglich allein leben wollen, in Frieden, auf ihrer Welt.  Ist das zuviel verlangt?”
      „Die Minbari sind eine Sache,” sagte Sheridan.  „Was ist mit den Vorlonen?  Wenn Ihre.... Freunde sich einmischen, dann könnten sich die Vorlonen von uns gestört fühlen.  Ich will nicht, daß das geschieht.  Es würde die Schlacht um die Erde wie ein kirchliches Beisammensein aussehen lassen.”
      „Genau.  Das ist der Grund, warum meine Freunde ihre Unterstützung nicht offen gewähren können.  Sie müssen vorsichtig vorgehen, aber sie werden tun, was sie können, um zu helfen.”
      „Danke.”
      „Ich dachte mir, daß Sie erfreut wären.  Dies' sind die ersten ordentlichen Verbündeten, die wir haben, seit diese ganze Sache angefangen hat.  Was macht es also, daß sie nicht ins Offene kommen können!  Sie sind bereit, uns zu helfen, Captain.  Vielleicht uns sogar Rache zu verschaffen.  Wir können die Erde nicht zurückbekommen, und Sie können Ihre Tochter nicht zurückbekommen, aber wir können noch immer die Monster, die uns das angetan haben, dafür bezahlen lassen!”
      Etwas machte in Sheridans Verstand plötzlich Klick, und er drehte sich zu Ivanova um.  „Was wollten Sie?  Wenn sie Ihnen die gleiche Frage gestellt haben, die Sie mich fragten, was wollten Sie eigentlich?”
      Ivanova lächelte.
      Sein Kommunikator piepte.  Leise fluchend ging er zu seinem Schreibtisch und hob ihn auf.  „Ja?”
      „Wir haben Vega Sieben erreicht, Sir.  Wir sind aus dem Hyperraum heraus.  Aber die Sprungtriebwerke sind unten, fürchte ich.  Erneut.  Unsere Reparaturen waren nicht komplett, und es wird eine Weile dauern, sie wieder betriebsbereit zu machen, so daß wir nach Proxima fliegen können.  Aber äh.... das ist nicht das Schlimmste.”
      „Was meinen Sie?”
      „Wir haben den Planeten gescannt, Sir.  Von der Gesamtbevölkerung von über vierhundert Narn und Menschen haben wir eine Gesamtsumme von fünf Lebenszeichen.”
      „Fünf?”
      „Ich glaube, Sie werden herausfinden, daß es mehr als vier und weniger als sechs ist,” unterbrach Ivanova, und zuckte anschließend die Achseln, als Sheridan sie anstarrte.
      „Ich werde in einer Minute auf der Brücke sein, David.  Sheridan aus.”  Er drehte sich zu Susan um.  „Fünf.  Auf dem gesamten Planeten.  Was ist ihnen allen zugestoßen?”  Er begann gerade, sich eilig anzuziehen, als sein Kommunikator erneut piepte.  Es war Dr. Kyle.
      „Captain, irgendeiner hat gerade versucht, unseren Minbarigast zu töten.”

*    *    *    *    *    *    *

„Es war Maya Hernandez,” sagte Dr. Kyle.  „Sie versuchte, das Blut, das wir ihr gaben, mit Metazin zu vergiften.  Es ist ein Schmerz- und Schlafmittel für Menschen, aber für Minbari kann es tödlich sein, besonders in hohen Dosen.”
      „Macht es Ihnen etwas aus, mir zu sagen, warum Sie diese kleine biologische Schwäche niemals zuvor erwähnt haben, Doktor?”
      Kyle warf Sheridan einen ärgerlichen Blick zu.  „Ich heile, Captain.  Ich töte nicht.  Außerdem ist Metazin nur innerhalb des Blutstroms wirksam.  Wirklich keine besonders nützliche Waffe.”
      „Ah, zum Teufel.  Ich weiß, ich weiß.  Es tut mir leid, Doktor.  Die Dinge waren in letzter Zeit ein wenig.... seltsam.  Wo ist Dr. Hernandez jetzt?”
      „Keine Ahnung.  Sie floh sofort, als ich sie ertappte.”
      „Irgendeine Idee, warum sie es getan hat?”
      „Ihr Mann und Sohn starben auf der Erde.  Vielleicht hatte sie in diesem Krieg bereits zuviel gesehen.”
      „Das haben wir alle.”  Sheridan drehte sich zu Corwin.  „Lassen Sie sie finden und einsperren.”
      „Ja, Sir.”  Corwin hatte unbehaglich ausgesehen, seitdem er seine Nachricht an Sheridan geschickt hatte.  „Wollen Sie das fertig haben, bevor oder nachdem ich vom Planeten wiedergekommen bin?”
      „Sie werden nicht auf den Planeten gehen, Mr. Corwin.  Ich brauche Sie, um die Dinge hier am Laufen zu halten.  Ich werde gehen.”
      „Captain!  Haben Sie vergessen, was das letzte Mal passiert ist, als Sie hinuntergegangen sind?”
      „Nein, und das werde ich bestimmt nicht.  Glauben Sie mir, Mr. Corwin.”
      „Aber Sie können nicht allein gehen.”
      „Ich glaube nicht, daß fünf Lebenszeichen eine große Gefahr darstellen werden.  Außerdem werde ich nicht allein gehen.  Sie kommt mit mir.”  Er zeigte auf Delenn, die teilnahmslos auf einem Stuhl am Ende ihres Bettes saß.  Ihre Hände waren zusammengebunden, aber ihr Gesicht war ausdruckslos und ruhig.  „Ich werde sie nicht aus den Augen lassen.  Sie hat zu viele Informationen, um sie sterben zu lassen, und nein, Mr. Corwin, sie wird nicht irgendwohin laufen.  Ich werde ein komplettes Sicherheitsteam mit mir auf die Oberfläche nehmen, wenn Sie darauf bestehen, aber das ist alles.  Guten Tag, Mr. Corwin.  Sie,” er blickte auf Delenn.  „Kommen Sie mit.”
      Leise, mit einem Gesicht so ruhig wie immer, erhob sie sich und folgte ihm, ihre Erscheinung war dabei genauso würdevoll gelassen wie stolz trotz ihrer Fesseln.

*    *    *    *    *    *    *

Minbari.... verdammte Minbari.... zerstörten die Erde.... erledigten die Erde.... ruinierten sie.... töteten jeden....
      Töteten....
      Katherine, komm schon, Katherine!  Wach auf, Katherine....  Du kannst jetzt nicht sterben.  Joseph ist tot.  Du kannst nicht auch noch sterben.  Bitte, Katherine.
      Bitte.
      Minbari.... Katherine.... Joseph tot.... die Erde tot..... die Erde fort.... jeder fort.... aber ich.... ich bin hier.... ich bin immer hier.... Katherine.... ich.... ich liebe dich, Katherine.... ich liebe dich, Katherine.... du darfst nicht sterben....

      Jeder um ihn herum war tot, genauso wie auch der Mann namens Marcus Cole.  Aber sein Tod war nicht der Tod des Fleisches, sondern der Tod des Geistes, der Tod der nutzlosen Träume, Ambitionen und Hoffnungen.
      Für Marcus Cole wurde in diesem Augenblick etwas Neues und Schreckliches geboren.

*    *    *    *    *    *    *

„Was ist Ihrer Meinung nach hier passiert?”  Delenn blieb still und starrte geradeaus.  Sheridan blickte auf ihr ruhiges Benehmen und wünschte sich, er könnte das gleiche besitzen.  Er konnte nicht auf die verbrannten Gebäude blicken, auf den Schutt, die Verwüstung, den Alptraum, der einst Vega 7 gewesen ist, und etwas anderes fühlen als einen langsam brodelnden Zorn.  Genau wie die Erde.  Das war genau wie die Erde.
      Es war schwierig gewesen, das Shuttle zu landen.  Es gab so wenig ebene Fläche, um zu landen, aber sie waren dennoch gelandet, und nun wanderten sie durch Schutt und Verwüstung, während sie über tote Körper traten, zerquetscht oder verbrannt, und auf das SOS-Signal zusteuerten, das Corwin identifiziert hatte.  Vega 7 war Schutt, und Sheridan konnte nichts anderes tun, als sich fragen, ob das trotz seiner Handlungen geschehen war, oder wegen ihnen.
      Da war ein Geräusch zu seiner Linken und er drehte sich um, seine PPG schußbereit haltend.  Einer der Sicherheitsleute hatte das gleiche getan.  Sheridan befahl ihm mit Gesten, die Waffe zu senken, und bewegte sich selbst vorwärts, während der andere ihm langsam folgte.  Dieser Ort war einst ein Zuhause gewesen.  Ein Körper lag halb begraben unter dem, was einst eine Wand gewesen war.  Sheridan konnte überall getrocknetes Blut sehen.  Ein anderer Körper lag nicht weit entfernt, eine Frau, ihr Schädel war aufgedrückt.  Und über ihr kniete ein Mann und flüsterte wiederholt etwas, während Tränen des Schmerzes und der Qual auf seinen Wangen hinunter in seinen kurzen, schwarzen Bart rannten.  Er schaute auf, und für einen kurzen Moment sah Sheridan sich selbst in diesen Augen reflektiert.  Sich, wie er gewesen war.
      „Mein Name ist John Sheridan,” sagte er langsam und senkte seine PPG.  Das war einer der fünf.
      „Der Sternenkiller,” flüsterte der Mann.  „Sie ist tot.  Sie alle sind tot.”
      „Wer war es?  Was ist hier passiert?”
      „Minbari.  Müssen es gewesen sein.  Hab' sie nicht gesehen, aber wer könnte es sonst gewesen sein?  Minbari.... Minbari....  Ich bin Marcus.... Marcus Cole.”
      „Haben Sie einen Ort, an den wir Sie hinbringen können?  Vielleicht eine Familie, auf einer anderen Welt?”
      „Alle tot.  Alle fort außer mir.”  Er hatte einen ein wenig seltsamen Akzent, und Sheridan erkannte, daß es Englisch war.  Er hatte seit Jahren keinen englischen Akzent mehr gehört.  „Jeder ist fort außer mir.  Und Ihnen.  Helfen Sie mir, Sternenkiller.  Helfen Sie mir, sie alle zu töten.”
      Haß.  Ein solcher Teufelskreis.  Es hörte niemals auf, oder?  Sheridan hatte nach dem Tod seiner Tochter ähnliche Worte gesagt.  Konnte irgendeiner jemals den Mut finden, aus den alten Wegen, den alten Teufelskreisen, den alten Vendettas auszubrechen?  Konnte Sheridan es selbst?  Vielleicht wollte er es nicht.
      „Ich werde tun, was ich kann,” sagte er einfach.  „Sie sind an Bord der Babylon willkommen, Mr. Cole.”
      „Danke.”
      „Wir können.... es arrangieren, daß diese Körper verbrannt werden, wenn Sie es wollen.”
      „Lassen Sie sie.  Nur Hüllen.  Sonst nichts.  Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”
      „Kennen Sie den Weg zum hiesigen bürokratischen Zentrum?  Ich muß wissen, ob dort irgend jemand überlebt hat.”
      „Ja, Sie müssen hier entlang.  Folgen Sie mir.”  Sheridan wunderte sich über Marcus' geschraubte, präzise Antwort.  Eine solche Kontrolle sollte nach einem solchen Verlust unmöglich sein, und früher oder später würde der Kummer wieder ausbrechen.  Sheridan erwartete teilweise, daß es passieren würde, als er Delenn sah, aber er ignorierte sie einfach, so als ob sie überhaupt nicht da wäre.
      Marcus führte sie durch schuttgefüllte Straßen und über zertrümmerte Körper.  Er muß einige von ihnen gekannt haben, aber er sagte nichts.  Er sagte niemals etwas.  Es war, als ob die Zerstörung seines Heimatplaneten auch seinen Geist zerstört hätte.  Sheridan blickte auf Delenn, aber sie war still.  Hatten die Minbari das getan?  Konnten sie das getan haben?  Das war genau wie auf der Erde.  Wie auf der Erde.
      Und da waren sie.  Franklin und Connally, die über zwei gefallenen Formen arbeiteten.  Der eine war Narn, der andere....
      „Oh mein Gott,” hauchte Sheridan.  „Wie geht es ihm, Stephen?”
      „Nicht gut.”  Sheridan machte eine Geste und der Arzt, auf den Kyle bestanden hatte, stürmte vorwärts.  Er und Franklin begannen, an Keffers Körper zu arbeiten.  Er stöhnte, aber diesmal sanft.  Und dann sah Sheridan den Narn.  Es war Na'Far.
      „Er hat nicht viel gesagt,” sagte Connally.  „Er liegt ebenfalls im Sterben.  Wenn Sie wollen, daß er Ihnen irgend etwas erzählt, dann sollten Sie es ihn besser jetzt fragen, Captain.”
      Sheridan warf einen letzten Blick auf sein Mannschaftsmitglied und kletterte zu dem Narn, der ihn verraten hatte.  Seine Beine waren zerquetscht, sein Gesicht verbrannt und mit Blasen überzogen.  Da war solch ein Verlust und Kummer in seinen blutroten Augen.  „G'Quan möge mir vergeben,” flüsterte er in einem Narndialekt, den Sheridan verstand.  „G'Quan.... möge mich beschützen.”
      „Was ist hier passiert?  Wer hat das getan?”
      „Der Feind.... uralt und dunkel..... der Feind.... ah, G'Quan möge mir vergeben.... sollte gehört haben.... sollte gehört haben.... hören Sie auf.... Minbari.... sie.... wissen....”  Die Worte verstummten, und Sheridan blickte auf.  Er hatte die letzten zwei Worte nicht gehört, aber was er gehört hatte, war genug.
      „Verdammt!” hörte er Franklin fluchen.  Sheridan brauchte nicht unterrichtet zu werden.  Keffer war tot.
      „Wir.... wurden unter der Erde festgehalten,” sagte Connally.  „Ich weiß nicht, warum wir am Leben waren.  Aber.... Warren.... er war langsamer als wir.... dieser Schlag vorhin hatte ihn ziemlich hart getroffen.  Er konnte sich nicht schnell genug bewegen, und als die Wand herunterkam....”
      Sheridan drehte sich weg, still und ruhig.  Alles andere schien irrelevant.  Er hörte, wie Marcus etwas zu Connally sagte und Connally antwortete.  Franklin und der Arzt unterhielten sich leise, aber die einzigen Worte, die seine Ohren erreichten, waren die von Delenn.
      „Valen möge Ihre Seelen beschützen.”
      Sheridan drehte sich blitzschnell zu ihr um.  Ohne nachzudenken, ohne ärger oder Haß, sondern nur mit einer kalten, harten Endgültigkeit schlug er ihr ins Gesicht.  Da ihre Hände gefesselt waren, fiel sie rückwärts auf den Schrott.  Sheridan hatte mittlerweile seine PPG gezogen, wiederum ohne nachzudenken, und er zeigte nun damit auf sie.  Es summte, als er lud.  Es war wieder die lange Sekunde, eine zeitliche Ewigkeit, in der alles, was zählte, der Blick in ihren Augen war.  Wie ein erschrecktes Kind, das seine Unschuld verloren hatte.
      Angewidert - ob nun von sich selbst oder von ihr, wußte er nicht - steckte Sheridan seine PPG wieder ein.  „Der Tod ist zu leicht für Sie,” fauchte er.  „Kommen Sie.  Bringen Sie Warrens Körper zurück ins Shuttle.  Er verdient wenigstens eine anständige Bestattung.”
      Und sie ließen Vega 7 hinter ihnen, eine tote Welt, erfüllt lediglich mit den Toten und den Erinnerungen der Lebenden.

*    *    *    *    *    *    *

Dr. Hernandez rannte verstört weiter.  Sie hatte versagt.  Dr. Kyle hatte sie entdeckt, und nun suchten sie nach ihr.  Die Sicherheitsleute.  Warum?  Konnten sie es nicht verstehen?  Dem Minbariweib sollte nicht erlaubt werden zu leben.  Sie sollte zurückgelassen werden zum Verrotten, genau wie jeder auf der Erde, genau wie Mayas Ehemann, genau wie ihr Sohn.
      Aber Dr. Hernandez hatte eine Freundin, eine Freundin, die ihr alles erklärt hatte, die es mit ihr besprochen hatte, die ihr geholfen hatte zu verstehen, die ihr gesagt hatte, was sie tun mußte.
      „Sind Sie hier?” schnaufte Maya.  Hier würde sie sicher sein, hatte man ihr gesagt.  Hier würden sie sich treffen, hatte ihre Freundin gesagt.  Jetzt würde alles gut werden.  „Sind Sie hier?”
      „Ich bin hier,” sagte eine sanfte Stimme.
      „Ich.... ich wurde erwischt.  Die Sicherheitsleute suchen nach mir.  Aber warum?  Sie verdient es zu sterben, nicht?  Sie haben mir das gesagt.  Sie verdient es zu sterben.  Warum jagen sie mich, obwohl ich nur getan habe, was ich tun mußte?”
      „Sie haben versagt.  Ich will das Minbariweib tot sehen.  Sie weiß, wer ich bin, was ich bin.  Sie haben versagt, und Sie werden die Aufmerksamkeit auf mich ziehen.  Ich kann das nicht erlauben.”
      „Sie.... Sie machen mir Angst.”
      „Gut.”  Eine sanfte Bewegung, ein dumpfer Schlag, und Dr. Maya Hernandez war tot, bevor sie die Gelegenheit hatte zu begreifen, was mit ihr geschah.  Susan Ivanova drückte ihren Minbarikampfstab zusammen und trat heraus aus dem Schatten.  So.... ein Versuch war schiefgegangen.  Es war nicht das Ende der Welt.  Sie hatte Zeit.
      Zeit genug, sich um den Tod dieses Minbariweibs zu kümmern.

*    *    *    *    *    *    *

„Von den Sternen sind wir gekommen, und zu den Sternen werden wir zurückkehren.  Von nun an bis an das Ende der Zeit.”
      Sheridan beendete die rituelle Rede und starrte auf den leeren Bildschirm, leer deswegen, weil die externen Kameras nicht arbeiteten.  Sie sollten in der Beobachtungskuppel sein, aber diese war noch immer beschädigt.  Das war unfair.  Keffer verdiente eine bessere Bestattung als diese.  Nicht einmal genug Zeit, um ihm eine Starfury-Eskorte zu geben.  Das war nicht fair.
      Er blickte vom leeren Bildschirm auf die anderen auf der Brücke.  Franklin war still, mit einem bitteren Zorn in seinen Augen.  Manchmal dachte der Mann noch immer wie ein Arzt.  Corwin sah unbehaglich aus.  Connally war nicht zugegen, vielleicht trank sie einen Toast auf Keffers Andenken.  Und Delenn.... waren das echte Tränen in ihren Augen, oder einfach nur eine Folge der Ohrfeige, die er ihr verpaßt hatte?
      „Wie lange noch, bis die Sprungtriebwerke wieder funktionieren, Mr. Corwin?”
      „Ungefähr eine gute halbe Stunde, fürchte ich.  Sie sind zerschossen bis geht nicht mehr.  Sie werden eine vollständige Überholung brauchen, wenn wir erst einmal nach Proxima kommen.”
      Sheridan nickte nüchtern, und dann begann Delenn zu sprechen.  „Captain, bitte, Sie müssen mir zuhören.  Meine Leute würden niemals so etwas machen.  Das war eine andere Rasse, eine ältere Rasse.  Ihre Begleiterin ist ein Teil davon.  Sie sind böse, dunkel und furchtbar.  Wir nennen sie....”
      „Halten Sie den Mund!  Mir ist es egal, wie Sie sie nennen, aber Susan hat mir alles über sie erzählt.  Ich weiß über Ihre kleine Vendetta gegen sie.  Ich weiß nicht, warum sie begann, und es ist mir egal.  Alles, was ich weiß, ist, daß wir zum ersten Mal in vierzehn Jahren nicht länger allein sind.”
      „Captain, bitte, hören Sie auf mich!”
      „Muß ich Sie knebeln lassen?  Sie sind hier, weil ich Sie dort haben will, wo ich Sie sehen kann - weil ich Sie lebend brauche, aber wenn der Tag kommt, an dem das nicht mehr zutrifft, werde ich mich freiwillig dafür melden, den Knopf zu drücken, der Sie ins All befördert.”
      „Ich werde dem Tod ins Auge sehen, aber nicht, bevor ich gesprochen habe....”
      Sheridan zog seine PPG heraus und zeigte damit direkt auf sie.  Sie begegnete seinen Augen mit einer kalten Gleichgültigkeit, aber da war eine dunkle Bitte in ihrem Inneren.  Er bereute seine Worte in dem Augenblick, als sie seinen Mund verließen, aber das würde jetzt nichts mehr ändern.  „Wie Sie den Tod ins Auge sehen, interessiert mich nicht.  Halten Sie jetzt den Mund, oder ich werde Sie knebeln lassen.”
      „Captain!”  rief Franklin plötzlich.  „Zwei Sprungfenster öffnen sich über uns!”
      „Zum Teufel!  Minbari.  Beginnen Sie ein Ausweichmanöver, David.  Starten Sie die Starfuries und bringen Sie die Sprungtriebwerke so schnell wie möglich wieder zum Laufen.  Wie konnten sie uns hier finden?  Wir waren hinter dem Mond, um Gottes willen.”
      „Keine Ahnung, Captain,” sagte Corwin.  „Sie rufen uns.”
      Sheridan knirschte mit den Zähnen und blickte auf Delenn.  Sie starrte auf den Boden.  „Auf den Schirm.  Vielleicht können wir uns den Weg hier herausreden.”
      Das Gesicht einer Minbari erschien auf dem Bildschirm.  Sie hielt sich nicht mit Vorreden auf.  „Sie haben Satai Delenn.  Sie werden sie uns überstellen und sich sofort ergeben.”
      „Klingelt es bei Ihnen bei den Worten ‚eher wird es in der Hölle schneien’?  Wir haben hier die Oberhand.  Sie können nicht auf uns schießen und dabei riskieren, Ihre kostbare Satai Delenn zu töten, oder?”  Der Bildschirm wurde schwarz.  „Können sie?”
      „Sie sind aus der Kriegerkaste, Captain,” sagte Delenn plötzlich.  „Mein Tod, besonders wenn Sie dafür verantwortlich gemacht werden können, würde ihnen nur zu gut passen.”
      „Politik.  Großartig!  David!”
      „Ich tue, was ich kann, Sir.  Ich.... warten Sie.... ein weiteres Sprungfenster öffnet sich.”
      Sheridan sprang auf.  „Es muß doch etwas geben, das wir tun können.”
      „Ich.... oh mein Gott,” flüsterte Franklin.  „Beide Minbari-Schiffe sind zerstört.  Ich.... da ist etwas da draußen, aber.... ich habe noch nie zuvor etwas Derartiges gesehen.”
      „Das ist unmöglich.  Nichts ist so stark oder so schnell.  Versuchen Sie, sie zu rufen.”
      „Ich versuche es, Sir.  Ich versuche es und.... bin gescheitert.  Sie sind fort.”
      „Nichts ist so schnell.  Sie müßten ihren Sprungtriebwerken die Gelegenheit geben, zuerst ein wenig abzukühlen.  Wer zum Teufel war das?  Haben die externen Kameras etwas aufgezeichnet?”
      „Negativ, Sir,” erwiderte David.  „Sie sind noch immer außer Betrieb, und wir hatten nicht die Zeit, irgendwelche Starfuries zu starten.  Was auch immer dieses Ding war, niemand hat es gesehen.”
      Sheridan setzte sich wieder hin.  „Was könnte es gewesen sein?”
      „Einer meiner Freunde, Captain.”  Es war Susan, die lässig auf die Brücke schlenderte und lächelte.  „Unsere Freunde, sollte ich sagen.  Ich dachte, die Dinge könnten hier draußen ein wenig gefährlich werden, also bat ich sie zu kommen und uns da herauszuhelfen.”
      „Das war einer Ihrer Freunde?  Zwei Minbari-Kreuzer in zehn Sekunden?”
      „Wenn es sein muß.  Sie sind jetzt auf unserer Seite, Captain.  Sie können nicht viel helfen, aber wenn sie es können, werden sie es tun.”
      Sheridan schaute auf seine Brückenmannschaft, und sah die Ehrfurcht auf ihren Gesichtern.  Ehrfurcht und etwas, von den er glaubte, daß er es niemals wieder sehen würde.
      Hoffnung.
      „Es sieht so aus, als ob sich die Dinge endlich zu unseren Gunsten entwickeln.  Nach vierzehn Jahren entwickeln sich die Dinge endlich zu unseren Gunsten!”  Er lachte laut auf, und dann begann die gesamte Brücke zu lachen, zu lächeln und zu jubeln.  Ein Körnchen Hoffnung in einem Jahrzehnt der Verzweiflung.
      Die gesamte Brücke.... außer einer Person.
      „Nun, Satai Delenn,” sagte er selbstgefällig.  „Es sieht so aus, als ob wir nicht länger allein sind.  Ich weiß nicht, wer diese Verbündeten sind, aber wenigstens wollen sie kämpfen, was mehr ist als das, was die Narn tun wollen.  Wie denken Sie darüber, nun, Satai Delenn?  Wie denken Sie darüber?”
      Sie blickte ihn an.  Ihr Gesicht war sehr blaß.  Furcht stand in ihren Augen.  „Ich denke, daß wir alle verdammt sind, Captain.”  Sie senkte ihren Kopf.
      „Valen möge uns helfen. Ich denke, daß wir alle verdammt sind.



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