Band 1:  Die andere Hälfte meiner Seele Teil II:  Die Warnung




Kapitel 2


DER graugekleidete Sicherheitsoffizier, bekannt lediglich als Mr. Welles, wartete geduldig im Korridor.  Welles war immer geduldig, und gründlich, zwei der Gründe, warum er so weit gekommen war, warum er den Schrecken überlebt hatte, der die Erde verschlungen hatte, warum er so wertvoll für die Widerstandsregierung hier auf Proxima 3 war, und warum ihm die Aufgabe erteilt worden war, den Willen dieser besonderen Gefangenen zu brechen.
      General Hague hatte ihn gewarnt, daß das nicht leicht sein würde.  Die Gefangene war.... stur, gelinde gesagt, besaß einen erstaunlichen Kern von innerer Stärke sowie eine fast fühlbare Willenskraft und eine überaus starke Persönlichkeit.  Das Feuer und Wissen in ihren Augen machte beinahe auch ihm Angst.  Vom ersten Augenblick an, als er sie gesehen hatte, hatte Welles sich auf die Gelegenheit gestürzt, dieses Verhör zu führen.  Er war beinahe auf die Knie gefallen und hatte dem Gott gedankt, an den er aufgehört hatte zu glauben.  Hier war letztendlich seine Chance, seinem Volk zu dienen.
      General Hague hatte ihn gewarnt, daß das nicht leicht sein würde, aber dennoch war Welles über seinen Mangel an Erfolg überrascht.  Über sechs Tage lang hatte sich das Verhör hingezogen.  Der Gefangenen war Nahrung, Wasser und Schlaf verweigert worden.  Bei drei getrennten Gelegenheiten hatte Lyta Alexander, die Telepathin im Dienst der Widerstandsregierung, den Verstand der Gefangenen betreten, nur um herauszukommen mit wagen Bildern, unklaren Gedanken und einer Müdigkeit, die Tage andauerte.
      Mr. Welles konnte warten.  Mr. Welles war geduldig.  Aber Mr. Welles war auch praktisch, und er wußte, wann man ein Verhör beschleunigen, wann man warten, wann man drängen, wann in Schweigen verharren und wann man sprechen sollte.
      Die zwei Männer, auf die er gewartet hatte, kamen in Sichtweite, und er nahm sich die Zeit, sie zu studieren.  Boggs war ein früherer GROPO, unbedeutend und unwichtig, einer von Millionen, oder er war es gewesen, bevor er während des Angriffs auf Io hinter die feindlichen Linien geraten war.  Er hatte monatelang auf einem besetzten Mond überlebt, mit wenig Nahrung oder Wasser, aber er hatte es überstanden und wurde gerettet, mit einer langen Narbe, einem Wissen über die Sprache und Physiologie der Minbari, und einem tief eingewurzelten Haß.  Cutter war eine völlig andere Geschichte.  Geboren bei reichen Militäreltern, hatten ihn die Verbindungen des alten Mannes in die Erdstreitkräfte und hinauf durch die Ränge geschwungen.  Die Verbindungen hatten mit der Erde geendet, aber Cutter versuchte immer noch, seine beanspruchte Überlegenheit aufrecht zu erhalten.  Mit seiner durchschnittlichen Kompetenz und seinen zweifelhaften politischen Neigungen war er nicht besonders wertvoll, aber er hatte zwei ausgleichende Kennzeichen: er befolgte Befehle und er vertraute Welles.  Beide Männer waren Sicherheitsleute unter Welles direkter Aufsicht, und nun brauchte er ihre Hilfe.
      „Sie wollten uns sehen, Chef?” sagte Boggs.
      „Wieviel wissen Sie über die Gefangene, die ich zur Zeit befrage?” fragte Welles.
      „Alles, was wir wissen müssen,” antwortete Cutter.  „Vor ein paar Tagen gab es beinahe einen Tumult.  Die Leute wollten sie unter die Kuppel herauszerren und sogar steinigen.  Wir haben die Sache geregelt.”
      „Wirklich?  Ich habe nichts darüber gehört,” sagte Welles, verärgert über sich selbst, weil er zu vertieft in diesen Fall geworden war.  „Weiß denn bereits jeder, daß sie hier ist?”
      „Ziemlich viele, ja,” sagte Cutter.  „Es ist irgendwie durchgesickert.”
      „Wirklich?  Oh, also gut.  Unsere Gefangene erweist sich als bemerkenswert unkooperativ.  Wenn Willenskraft in Flaschen verpackt werden könnte, hätte sie genug, um eine Fabrik aufzumachen.  Nicht einmal telepathische Scans haben viel Wirkung gezeigt, deswegen kommen nun Sie ins Spiel.  Ich will, daß Sie ihr weh tun.  Nichts Dauerhaftes, nichts Ernstes und nichts, wo man es sehen kann.  Gerade genug, um sie aus ihrem Gleichgewicht zu bringen.  Mit etwas Glück werden Hunger, Durst und Schlafmangel den Rest erledigen.”  Welles blickte sie langsam an.  „Meine Herren, können Sie sich unter Kontrolle halten?  Ich kann nicht zulassen, daß Sie sie töten.  Sie hat viel zu viele Informationen, die wir brauchen, um sie hier sterben zu lassen.  Wenn Sie glauben, daß Sie sich nicht kontrollieren können, lassen Sie es mich einfach wissen, und ich werde jemand anderen für diese Aufgabe besorgen.  Ich würde nicht weniger von Ihnen halten, wenn Sie es nicht tun könnten.  Ich denke nicht, daß ich mich selbst kontrollieren könnte.”
      „Sie ist eine Minbari,” sagte Boggs langsam.  „Wir schulden ihr alle Schmerzen in der verdammten Galaxie.”
      „Ich weiß,” entgegnete Welles.  „Ich weiß.”
      „Aber Sie sind der Chef,” fuhr Boggs fort.  „Sie sagen, nichts Dauerhaftes oder Ernstes, also gut.  Nichts Dauerhaftes oder Ernstes.”
      „Gut, danke.  Sie ist dort drinnen.”  Welles schlug an die Tür, und der Sicherheitsbeamter, der die Gefangene bewachte, öffnete.  Welles, Boggs und Cutter traten ein.  Satai Delenn vom Grauen Rat blickte auf.
      „Ich habe Sie erwartet,” sagte sie sanft.

*    *    *    *    *    *    *

Captain John J. Sheridan wünschte jeden einzelnen Narn in die Fegefeuer zum anscheinend hundertstem Mal, seit er auf diesem trostlosen Felsen angekommen war, den sie ihre Heimatwelt nannten.  Und dann blickte er aus dem Fenster und bereute seinen leisen Fluch.  Auch die Narn hatten erfahren, was es hieß, alles, was man liebt, zu verlieren.  Über hundert Jahre lang hatten die Centauri ihr Volk beherrscht, und nun war jeder einzelne Narn von einem Verlangen nach Rache, nach Vergeltung und nach Blut erfüllt, das nicht einmal ein kürzlich stattgefundener fünfjähriger Krieg mindern konnte.  Wie verschieden waren sie von Sheridan selbst?
      Gut, er verstand sie also, aber mußten sie wirklich bei allem so verdammt langsam sein?  Seit seiner Ankunft auf der Narnheimatwelt hatte er hier bereits drei Tage gewartet - um dem Kha'Ri persönlich über die Zerstörung der Vega 7-Kolonie zu berichten - und keineswegs um herauszufinden, welcher dieser Reptilienbastarde ihn an die Minbari verkauft hatte.  Oh nein, keineswegs.
      Drei Tage lang hatten sie über seinen Bericht diskutiert und gestritten.  Was gab es da zu diskutieren?  Vega 7 war bis zur Übernahme durch die Narn vor zehn Jahren eine Menschenkolonie gewesen.  In Ordnung, es war also eine Wahl gewesen zwischen der Übernahme durch die Narn und der Vernichtung durch die Minbari.  Vega 7 war weder wichtig noch wertvoll, aber sie beherbergte noch immer viele Menschen und Narn.  Und dann waren die Minbari eingefallen und hatten jeden dort umgebracht.  Nur drei Leute hatten überlebt - die Lieutenants Franklin und Connally von Sheridans Schiff - der Babylon - und ein Minenarbeiter namens Marcus Cole, dessen Zeugenaussage, wie Sheridan hoffte, den Kha'Ri überzeugen würde.  Vorausgesetzt, daß wenigsten einer von ihnen sie jemals zu Gesicht bekam.
      Sein Com-Link piepste und er aktivierte ihn mürrisch.  „Ja?”
      „Captain?”  Es war Commander David Corwin, sein ausführender Offizier, zur Zeit der Verantwortliche auf der Babylon, während er auf diesem Planeten festsaß.  „Der Tagesbericht für Sie, Sir.”
      Sheridan stöhnte leiste und hoffte, daß Corwin das Geräusch nicht mitbekommen hatte.  War es bereits diese Tageszeit?  Würde er hier für immer festsitzen?  „Fahren Sie fort, Mr. Cor....”  Seine Kommunikationskonsole meldete sich plötzlich, und er drehte sich zu ihr um.  „Entschuldigen Sie mich, David.  An.”
      Das Gesicht einer Narn erschien auf dem Schirm.  Es war Ratsfrau Na'Toth.  „Captain, der Kha'Ri wird Sie jetzt empfangen, in derer persönlichen Halle.”
      „Allerhöchste Zeit,” murmelte er leise.  „Wollen Sie Marcus ebenfalls sehen?”
      „Wen?  Oh ja, den.... Zeugen, den Sie in Ihrem Bericht erwähnten.  Das wird nicht nötig sein, Captain.  Bitte kommen Sie unverzüglich.  Wir sind schließlich sehr beschäftigt.”  Der Bildschirm wurde wieder schwarz.
      „Ich wette, das sind Sie,” sagte Sheridan.  Er berührte erneut seinen Com-Link.  „Tut mir leid, David.  Der Kha'Ri ist endlich aufgewacht und sie wollen mich sehen.  Der Bericht wird warten müssen, fürchte ich.”  Er schaltete seinen Com-Link aus, ohne David die Gelegenheit zu antworten zu geben, und öffnete die Tür.  Je eher er den Kha'Ri sehen konnte, desto eher würde er von diesem kargen Felsen fort sein.
      Erwartungsgemäß stand Marcus draußen und wartete auf ihn.  Sheridan warf ihm einen Blick zu.  „Ich dachte, wir wären uns einig, daß Sie das nicht mehr tun werden.”  Nach seiner Rettung von Vega 7 hatte Marcus Sheridan Treue geschworen, und hatte sich selbst zum Leibwächter des Captains ernannt.  Das ärgerte Sheridan furchtbar, der keine persönliche Wache brauchte, am wenigsten eine mit jener Art von Todeswunsch, den Marcus zu besitzen schien.  Es war, als ob der Mann sich selbst bereits für tot hielt, und bloß noch nicht aufgehört hatte zu atmen.
      „Sie haben zugestimmt, Captain.  Bitte respektieren Sie meine Wünsche diesbezüglich.”  Sheridan tat es, aber sie waren deswegen nicht weniger lästig.  Wäre Marcus allein gewesen, hätte er vermutlich etwas über Respekt gemurmelt und Marcus dann erlaubt, ihm zu begleiten, aber Marcus war nicht allein.
      „Hat der Kha'Ri schließlich doch noch beschlossen, Sie zu empfangen, John?”
      Susan Ivanova war einer der verwirrendsten Leute, die Sheridan je getroffen hatte.  Sie war atemberaubend - fast schon herzzerreißend - schön, und sie besaß einen tiefen, schiefen Sinn für Humor.  Sie erinnerte ihn - von der Persönlichkeit her - an seine Frau Anna, bevor sie geheiratet hatten.  Aber statt seine Anspannung einfach durch ihre Anwesenheit zu lindern, wie Anna es getan hatte, trug Susan noch zu ihr bei.  Es war nichts, was er hätte benennen können, aber er mochte nicht in ihrer Nähe sein.  Vielleicht war es die Macht ihrer namenlosen „Freunde”, die zwei Minbarikreuzer innerhalb von zehn Sekunden wegblasen konnten.  Oder vielleicht war es die Tatsache, daß sie ihn so sehr an Anna erinnerte, wie sie gewesen war, was ihn nur zu gut daran erinnerte, was Anna jetzt war.  Oder vielleicht war es die Tatsache, daß sie in der Nacht immer wieder in sein Bett kam, und er nicht die Willenskraft hatte, ihr zu widerstehen.
      Oder vielleicht waren es alle diese Dinge.
      Sheridan hatte darauf bestanden, daß sie mitkam, und es schien ihr nichts auszumachen.  Er mochte nicht in ihrer Nähe sein, aber er traute ihr nicht, und er wollten sie dort haben, wo er sie sehen konnte.  Er hatte gehofft, daß sie auf der Babylon bleiben würde, wo David ein Auge auf sie haben konnte, aber.... statt dessen war sie hier.
      „Und gerade zur richtigen Zeit.  Sie wollen mich allein sehen, aber ich nehme an, daß Sie beide mitkommen können.”
      Marcus nickte lediglich, aber Susan zuckte ihre Wimpern und setzte eine erboste Zurschaustellung kindlicher Offenheit auf.  „Oh danke sehr, Captain.  Ich bin so froh darüber.”
      Sheridan war kein glücklicher Mann, und er bezweifelte, daß dieses Treffen mit dem Kha'Ri ihn irgendwie glücklicher machen würde.

*    *    *    *    *    *    *

„Also, Satai Delenn,” sagte Mr. Welles, während er sich hinsetzte und an seiner Tasse mit künstlichen Kaffee nippte.  Es war ein furchtbares Zeug, aber alte Angewohnheiten starben schwer aus.  „Und wie fühlen Sie sich jetzt?”
      „Es kümmert Sie nicht, wie ich mich fühle,” antwortete sie mit Wut in jeder Silbe. „Sie sorgen sich nur um das Wissen, das ich habe und das Sie wollen.  Sie befassen sich mit nichts anderem, als dieses zu erlangen.”
      „Das ist wahr,” gestand er, während er sie anblickte.  Boggs und Cutter hatten ihre Arbeit gut gemacht.  Das einzige sichtbare Zeichen einer Verletzung war ein verblassender blauer Fleck auf ihrer Wange, der dort seit über einer Woche prangte.  Sie saß in der gleichen Haltung, die sie die letzten sechs Tage eingenommen hatte.  Nur die Spur eines peinigenden Keuchens in ihrer Atmung, oder das leichte Zucken ihres linken Arms zeugten von Boggs und Cutters Arbeit.  Hoffentlich würde es genug sein, um sie brechen.  Wenn nicht, konnte er sie immer noch zurückrufen.  „Aber betrachten Sie es auf diese Weise, Satai Delenn.  Wenigstens will ich Sie lebend.”
      „Sie benutzen meinen Titel als Hohn,” entgegnete sie. „Sie verstehen seine Bedeutung nicht.  Ich wünschte, Sie würden das nicht tun.  Seine Bedeutung wird in einem Mund wie Ihrem beschmutzt.”
      Da war er also.  Der Zorn, der seit sechs Tagen unter der Oberfläche anschwoll, war nun entfesselt.  Welles nahm seine PPG aus seinem Halfter und legte sie auf den Tisch vor ihm.  Nur für alle Fälle.  Durch einen Blick in ihre Augen blickte wußte er, wie gefährlich diese Frau war.  „Also dann, Satai Delenn, erklären Sie mir seine Bedeutung.  Erzählen Sie mir von dem Grauen Rat, von Valen und den Neun, von der Dunkelheit und dem Licht.  Ich werde ein überaus aufmerksamer Zuhörer sein.”
      „Ich bemitleide Sie,” entgegnete sie.  Eine andere Person hätte vielleicht gelacht, aber Welles tat es nicht.  Er hob lediglich eine Augenbraue und wartete, bis sie fortfuhr.  Was sie auch tat.  „Bei den Minbari führt ein Individuum, aber alle agieren gemeinsam.  Als unser Anführer von Ihren Leuten getötet wurde, wurden wir alle zusammen wahnsinnig, und wir bleiben eine sehr lange Zeit wahnsinnig.  Jetzt beginnen wir endlich aufzuwachen.... gemeinsam.  Aber Sie.... Sie sind allein. Jeder Ihres Volkes ist allein, und es gibt keinen, der Sie aus Ihrem Wahnsinn wecken kann.”
      „Wahnsinn?  Wirklich?  Also gut, lassen Sie mich sehen, ob ich das verstehe, Satai Delenn.  Sie wurden wahnsinnig aufgrund des Todes eines Mannes - Ihres Anführers.  Sein Name war...?”
      Sanft:  „Dukhat.”
      „Oh, danke.  Dukhat, ja.  Sie wurden wahnsinnig aufgrund eines Toten, eines Verlustes, und während dieses Wahnsinns zerstörten Sie sieben Kolonien, zwei Monde, den Großteil unserer Flotte, zwanzig tausend Schiffe bei der Schlacht um die Frontlinie, die meisten unserer Anführer, sogar den Großteil unserer Bevölkerung.... und unsere Heimatwelt.  Also sagen Sie mir, Satai Delenn, wenn Sie durch einen einzigen Toten wahnsinnig wurden, warum können wir nicht durch alle diese Toten, durch alle diese Verluste wahnsinnig werden?  Sie mögen etwas anderes behaupten, aber Sie sind kein bißchen besser als wir, oder?”
      Ein wortloser Blick war seine einzige Antwort, aber ein Blick mit einer Spur von Traurigkeit.  Ah, ein Anfang.  „Tatsache ist, daß Sie mehr als nur unsere Heimatwelt zerstört haben.  Sie haben mit ihr auch unsere Träume zerstört.  Haben Sie irgendeinen.... oh, wie soll ich es nennen?  Irgendeinen Fokuspunkt?  Etwas, an das Ihr gesamtes Volk glaubt - das es verehrt, wenn Sie so wollen?  Überhaupt irgend etwas?”
      Genauso sanft: „Valen, und die Neun, und den vor uns liegenden Zweck.”
      Den Zweck?  Er machte sich eine geistige Notiz, um sich daran zu erinnern.  „Gut, wir haben ebenfalls einen Fokuspunkt.  Ein Zentrum aller unserer Hoffnungen und Träume als ein Volk.  Es wurde Erde genannt.  Hier, schauen Sie sich das an.”  Er zeigte auf das Abzeichen an seiner Uniform.  Sie blickte darauf, sagte jedoch nichts.  „Erdstreitkräfte, sehen Sie.  Hier steht's - Erde.  Als ich das erste Mal diese Uniform anzog, fühlte ich mich drei Meter groß, so als ob ich es mit allem aufnehmen könnte, das mir das Universum entgegenwerfen konnte.  Ich hatte eine Berufung, sehen Sie, und diese Berufung war es, der Erde zu dienen - dem Planeten, dem Volk, den Idealen, die sie ausmachten.  Sie nahmen mir das alles weg.  Mir, und unzähligen anderen.  Ich habe es ausgehalten.  Ich erfülle noch immer einen Zweck hier.  Einen kleinen, gebe ich zu, aber noch immer einen Zweck.  Ich wünsche noch immer zu dienen, alles zu tun, was ich kann, aber andere.... andere tun das nicht.  Sie sind gefallen und trauern über ihre Verluste.  Selbstmord.  Drogen oder Alkohol.  Traurige, bemitleidenswerte Gestalten, ohne Zweck, ohne Berufung, ohne einen Grund zu leben.”
      War das eine sprossende Träne in ihrem Auge?  Eine Spur von Gewissensbissen?  „Nun, ich bin ein rationaler Mann, Satai Delenn, oder wenigstens würde ich mich für einen halten.  Sehen Sie, ich bin mir bewußt, daß es neun Leute im Grauen Rat gibt und daß Sie zweifellos nicht für alle neun sprechen.  Sie sind während des Krieges vielleicht nicht einmal im Rat gewesen.  Ich bin mir bewußt, daß Captain Sheridan während seines Angriffs über dem Mars nach dem Fall der Erde ein paar aus Ihrer Mitte getötet hatte.  Sie sind vielleicht ein Ersatz für einen der Getöteten.  Oder Sie haben sich vielleicht gegen den Krieg ausgesprochen, dagegen gestimmt, sich für das Ende von diesem allen hier ausgesprochen.  Die Zerstörung meiner Träume.... unserer Träume fand vielleicht auf die Veranlassung eines anderen, und nicht auf Ihre, statt.  Ich bin ein rationaler und fairer Mann, Satai Delenn, und ich kann nicht eine Person für die Taten, die von anderen begangen wurden, bestrafen, aber jene sind nicht hier, und Sie sind es, Satai Delenn.
      „Bloße Worte können nicht ausdrücken, was ich Ihnen gerne antun würde als Gegenleistung für alle jenen verlorenen Leben, alle jenen zerplatzten Träume, für alle jenen gebrochenen Seelen.  Ich würde Ihre Augen herausreißen, Ihre Knochen zerbrechen, dieses Knochengebilde von Ihrem Kopf reißen und es zu Pulver verarbeiten, Ihre Organe herauszerren, Sie in Stücke reißen.  Die anderen Leute auf dieser Kolonie glauben etwas Ähnliches.  Sie würden Sie gerne zu Tode steinigen, oder kreuzigen, oder köpfen, oder auf dem Scheiterhaufen verbrennen, so als wären Sie eine Hexe oder so etwas.  Ich möchte alle diese Dinge ebenfalls, Satai Delenn, aber ich weiß, daß ich sie nicht haben kann.  Ich weiß, daß man Sie lebend braucht, wegen des Wissens, das Sie haben, eines Wissens, welches vielleicht dazu dienen kann, all' das Unrecht, das meinem Volk angetan wurde, wiedergutzumachen.  Es gibt sehr, sehr wenige von uns mit dieser Überzeugung.  Ich gebe den anderen keine Schuld.  Sie haben jeden Grund, Sie tot sehen zu wollen, aber ich.... ich will Sie lebend.  Das macht mich, Satai Delenn, zum einzigen Freund, den Sie auf diesen Planeten haben.”
      Sie weinte jetzt bereits, sanft und leise, aber dennoch weinte sie.  Welles lächelte.  „Nun nennen Sie mir die Namen der anderen Mitglieder des Grauen Rates.”
      Leise, so leise, daß er es kaum hören konnte: „Sinoval.”
      „Kaste?”
      „Krieger.”
      „Clan?”
      „Windschwerter.”
      „Oh, das hört sich interessant an.  Wir werden später auf ihn zurückkommen.  Andere?”
      „Hedronn.”
      „Kaste...?”

*    *    *    *    *    *    *

„Es tut uns leid, Captain Sheridan,” sagte der Narn, „aber wir können keine Anhaltspunkte finden, die Ihre Theorie unterstützen, daß die Minbari hinter dem Angriff auf Vega Sieben steckten.  Das war definitiv ein Centauriangriff, entworfen, um uns in einen Konflikt mit einem weiteren Feind zu ziehen.  Sie sind doppelzüngig.”
      „Die Centauri?  Councillor Kha'Mak, die Centauri würden einen zehn Lichtjahre großen Bogen um Vega Sieben machen.  Das waren die Minbari.”
      „Es tut mir leid, aber das erscheint unwahrscheinlich, Captain.  Die Centauri waren mit dem Wiederaufbau ihrer Flotten beschäftigt, seit wir sie vor zwei Jahren so vollständig besiegt haben.  Wir haben so etwas wie dieses seit langer Zeit erwartet.”
      Haben sie so vollständig besiegt?  Sheridan gab beinahe ein mißbilligendes Murren von sich.  Der Narn / Centauri-Krieg war sehr zurückhaltend gewesen, blutig und vernichtend, aber trotz allem sehr zurückhaltend.  Keine der beiden Seiten war mit dem Ergebnis zufrieden - weil dieses keine Feuereinstellung, sondern eher ein gegenseitiger Stopp der Feindseligkeiten gewesen war, während sie ihre Armeen für einen weiteren Versuch sortierten.  Hätte es nicht Sheridans persönliches Eingreifen auf der Seite der Narn gegeben, hätte die Sache vielleicht viel schlimmer ausgesehen.
      „Ich habe einen Zeugen, der behauptet, daß die Minbari dafür verantwortlich waren.”
      „Wir haben Ihren Bericht gelesen, Captain,” sagte ein reizbarer, alter Councillor namens Du'Rog.  „Der Mensch, den Sie erwähnten, ist ein Gewohnheitstrinker, der im letzten Jahr einige Male wegen Trunkenheit verhaftet wurde.  Wir haben es anhand der Aufzeichnungen, die uns regelmäßig von Administrator Na'Far gesendet wurden, überprüft.  Es gibt wenig Anhaltspunkte, die Ihre Theorie stützen.  Es ist bloß Ihr Wunsch, uns in Ihren Krieg mit den Minbari zu verwickeln.”
      Sein Wunsch, sie in einen Krieg zu verwickeln?  Sheridan hatte wenig Zweifel, daß er in dem Augenblick, wenn sich die Narn und die Centauri wieder im Kampf begegneten, eine Nachricht bekommen würde mit der Bitte um die Babylon.
      „Und es gibt einige unter uns, Du'Rog,” sagte plötzlich ein Councillor, den Sheridan nicht kannte, „die selbst kaum besser sind als Gewohnheitstrinker.  Wir beide wissen sehr gut, daß die Centauri nicht zu einem Schlag wie diesem fähig sind, genauso wenig wie die Minbari.  Das war das Werk des uralten Feindes, und ihr alle seid nur zu geblendet, um es zuzugeben.”
      „H'Klo!” stieß Na'Toth ärgerlich hervor.  „Wir haben keine Zeit für deine kleinen Miesmachereien.”  Sie drehte sich zu Sheridan.  „Es tut uns leid, Captain, aber wie können uns in diese Sache nicht einmischen.”
      Aber Sheridan hörte sie kaum.  H'Klos Worte hatten etwas in ihm geweckt.  Ein uralter Feind?  Na'Far hatte das Gleiche geflüstert, bevor er starb, und Lyta hatte das Gleiche aus Delenns Verstand gezogen.  Delenn hatte versucht, ihn vor etwas auf Vega 7 zu warnen.  Ein uralter Feind?  „Wer ist dieser uralte Feind?” fragte er sanft und versuchte, die Frage beiläufig erscheinen zu lassen.
      „Mythen und Legenden,” antwortete Na'Toth zornig.  „Nichts weiter.  Es tut mir leid, Captain, aber wir können nichts weiter für Sie tun.”  Sheridan sah sie an.  Sie log.  Er wußte das mit Sicherheit, aber Leute hatten ihn seit Jahren angelogen.  Die Wahrheit würde herauskommen, weil sie es früher oder später immer tat.
      „Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.” sagte er, in dem neutralsten Ton, den er fertigbringen konnte.  „Kreise, Councillors.”  Er preßte seine Fäuste gegen seine Brust im Narngruß und stapfte dann aus der Kammer.  In seinem Verstand arbeitete es.  Geheimnisse bleiben niemals lange geheim, und Na'Toth hatte sicherlich ein paar eigene.  War sie diejenige gewesen, die seinen Verrat angeordnet hatte?  War sie sogar im Bunde mit diesem uralten Feind?  Ein plötzlicher Gedanke kam ihm.  Waren Susans Freunde dieser „uralte Feind”?  Sie waren alt, mächtig und verursachten ihm Unbehagen, und die Minbari wußten mit Sicherheit von ihnen.
      Susan und Marcus warteten vor der Kammer bereits auf ihn.  „Wie lief es, John?” fragte Susan.
      „Typisches Narn-Verhalten,” stieß er als Antwort heraus.  „Kommen Sie.  Ich habe vor, mich in diesem Wüstenloch zu amüsieren, bevor wir abreisen.”  Die Wahrheit hatte die Angewohnheit, herauszukommen, und Sheridan beschloß, ein sehr wachsames Auge auf Ivanova zu haben.  Früher oder später kam die Wahrheit immer heraus.

*    *    *    *    *    *    *

Na'Toth verschwendete keine Zeit und ging zum Kommunikationsschirm in ihren Räumen.  Streng und einfach wie diese waren, war es das einzige Ding, das herausragte.  Sie brauchte ein paar Augenblicke, um das Signal durchzusenden, Augenblicke, in denen sie ihre Finger wütend gegen ihre Seite tippte.  Na'Toth war noch nie geduldig gewesen.  Als der Bildschirm anging und das Gesicht von Ha'Cormar'ah G'Kar erschien, kniete sie beinahe hin.  Es war eine absurde Reaktion.  Na'Toth hatte noch nie vor irgend etwas - Narn, Prophet oder Gottheit - in ihrem Leben gekniet, aber wenn sie in der Gegenwart, wenn auch entfernt, von Ha'Cormar'ah G'Kar war, war es fast unmöglich, dem Drang zu widerstehen.  Er projizierte eine Aura von solcher.... Größe und Macht, daß es fast überwältigend war.  Sie hatte gehört, daß G'Quan genauso gewesen war.
      „Ja, Na'Toth,” sagte er.  „Irgendwelche Neuigkeiten?”
      Sie erlangte rasch ihre Verfassung wieder.  Dieses mußte schnell erledigt werden.  „Captain Sheridan hat vor kurzem die Halle des Kha'Ri verlassen.  Unbefriedigt.  Sie weigerten sich zu glauben, daß die Minbari hinter der Zerstörung von Vega Sieben steckten.”
      „Weil sie es wirklich nicht waren.”
      „Genau.  Der Kha'Ri auf der anderen Seite macht die Centauri dafür verantwortlich, abgesehen von H'Klo.  Er erwähnte den Feind Sheridan gegenüber.  Der Erdling schien.... hoch interessiert, gelinde gesagt.”
      „H'Klo,” seufzte G'Kar.  „Wann wird er es jemals lernen?  Er ist fixiert auf die Vergangenheit.  Er sieht den Feind einzig und allein als Mittel, um für sich Ruhm zu erwerben.  Nein, er ist eine andere Sache.  Wird Sheridan ein Problem für uns darstellen?”
      „Ich weiß es nicht.  Er hat den Ruf, die Fähigkeit zum Lösen von Rätseln und Aufdecken von Geheimnissen zu besitzen.  Es mag schwierig sein, das vor ihm geheimzuhalten, und es wird Probleme verursachen, wenn er zu gründlich nachforscht.”
      „Ich weiß.  Also gut, Na'Toth.  Sind Neroon und Ta'Lon noch immer in G'Khamazad?”
      „Ja.”
      „Arrangieren Sie ein Treffen mit Sheridan.  Neroon und Ta'Lon sollen dabei sein, aber verborgen.  Sie werden wissen, ob er von den Schatten berührt ist oder nicht.  Es mag sein, daß er doch noch einer von uns werden wird.  Er könnte sich als ein wertvoller Verbündeter erweisen.”
      „Oder als ein gefährlicher Feind?”
      „Wenn das der Fall ist, werden wir uns um ihn kümmern.  Haben Neroon und Ta'Lon Ihnen von der.... anderen Sache erzählt?”
      „Von dem, der Sheridans Verrat auf Vega Sieben angeordnet hatte?  Sie glauben, daß sie eine Spur entdeckt haben, aber sicherlich hätte auch ich das tun können....”
      „Ihr Platz im Kha'Ri ist zu wichtig, Na'Toth, und zu sichtbar.  Wenn Ihre Loyalität entdeckt würde, würden die Folgen.... unangenehm sein, vorsichtig ausgedrückt.  Ich habe noch immer viele Feinde im Kha'Ri.  Neroon und Ta'Lon sind meine besten Agenten, und sie werden alles aufdecken, was gefunden werden muß.  Wir alle haben unseren Platz, Na'Toth.  Das Universum bringt uns an Orte, wo wir unser Bestes tun können.  Ich brauche Sie genau dort, wo Sie sind.  G'Quan möge Sie segnen, Na'Toth.”
      „Und Sie ebenfalls.”  Der Bildschirm wurde schwarz und Na'Toth trat zurück.  Ein Treffen mit Sheridan?  Was würde der Kha'Ri darüber denken, wenn sie das erführen?  Es gab so viele Spielchen und Andeutungen im Kha'Ri, daß es vielleicht Verdacht erregen könnte, oder es könnte lediglich als ein weiterer Schritt in den Machtspielchen angesehen werden und die Aufmerksamkeit von ihren wahren Absichten lenken.  Wenigsten gab es keine Abhörvorrichtungen in ihrer Wohnung.  Sie überprüfte sie dreimal am Tag, und alle ihre Gespräche waren doppelt kodiert.
      Aber eine weitere Überprüfung könnte nützlich sein.  Nur um sicherzugehen.

*    *    *    *    *    *    *

„Ich muß zugeben, daß ich überrascht war, als Sie mich um dieses Treffen baten, Councillor,” sagte Sheridan und blickte mit freundlichem Interesse umher.  Nicht, daß es viel gab, das man anschauen konnte.  Na'Toths Quartier war das kärgste, das er je gesehen hatte.  Dann blickte er auf die Ratsfrau des Dritten Kreises selbst.  Sie schien sicherlich an ihm interessiert.  Er fragte sich, ob das mehr als nur ein geschäftliches Treffen war.  Er hatte gehört, daß Narn und Menschen sexuell kompatibel wären.  Er lachte beinahe leise, als er den Gedanken in Erwägung zog.
      „Oh?” sagte sie.  „Ich will einfach nur.... noch einmal Ihre Folgerung bezüglich des Angriffs auf Vega Sieben hören.  Im Gegensatz zu meinen Kollegen im Kha'Ri bin ich nicht kurzsichtig.”
      Neben Sheridan stehend, schaute sich Marcus ebenfalls im Zimmer um.  Marcus war nicht zu diesem Treffen eingeladen worden, aber er was nichtsdestotrotz gekommen, und Na'Toth schien keine Einwände zu erheben.  Susan war zu ihrem Quartier zurückgekehrt, Müdigkeit vortäuschend, eine Entschuldigung, die Sheridan nicht vollkommen glaubte.
      „Alles, was Sie wissen müssen, war in meinem Bericht, Councillor.”
      „Alles außer einer winzigen Kleinigkeit.  Was haben drei Ihrer Männer auf der Kolonie gemacht, als Sie und Ihr Schiff so weit weg waren?  Erlauben Sie normalerweise Ihren Männern Landurlaub auf Planeten wie Vega Sieben?”
      Sheridan hob langsam eine Augenbraue.  Gelassen ließ er seine Hand zu seinem Gürtel gleiten - und zu seiner PPG.  Er hatte bewußt Einzelheiten von Na'Fars Taten in seinem Bericht weggelassen, in der Hoffnung, daß jemand es bemerken und voller Panik beschließen würde, etwas zu unternehmen.  Scheinbar hatte es jemand getan.
      „Sie wurden dort als Gefangene festgehalten, Councillor,” sagte er und bemerkte, daß auch Marcus auf ähnliche Weise angespannt war.  Hier wäre eine Gelegenheit, den Wert des Mannes als Wache zu testen.  Hatte Na'Toth selbst Wachen in ihrer Nähe?  Falls ja, wie viele?  Waren andere Mitglieder des Kha'Ri darin verwickelt, oder nur sie allein?  „Wir wurden.... von Administrator Na'Far verraten.”
      „Oh?  Das sieht ihm nicht ähnlich.  Er war immer sehr loyal.”
      „Loyal?  Ja, ich glaube, das war er.  Und wenn nun seine Befehle, mich an die Minbari zu verraten.... sagen wir mal von einem Mitglied des Kha'Ri gekommen wären, er hätte sich nach ihnen gerichtet, würden Sie nicht auch sagen?”
      „Ich vermute, das hätte er.”  Sie agierte sehr gelassen.  Sie mußte irgendwo ein verstecktes As haben.  Wo war es möglich, irgendwas in diesem Zimmer zu verstecken?  Es gab nur eine Tür, gegenüber der sich Marcus heimlich aufgestellt hatte.  Es gab keine Schränke oder Ähnliches.  Es war schlicht, fast zu schlicht für ein Mitglied des Kha'Ri....  Dort.  Ein kleiner Sprung in der Wand, fast unmerklich.  Eine Geheimtür.
      Na'Toth bemerkte natürlich die Bewegung seiner Augen.  Sie bereitete sich vor, zu handeln, aber Sheridan sprang vorwärts und brachte sie aus dem Gleichgewicht.  Sie fiel, und er richtete seine PPG auf ihren Kopf.  „Kommen Sie heraus, oder sie stirbt,” brüllte er.  „Dachten Sie wirklich, ich würde zweimal in die gleiche Falle tappen?”
      Na'Toth brüllte etwas in einem Narndialekt, den Sheridan nicht verstand, und die Tür öffnete sich.  Zwei Leute traten heraus.  Der eine war ein Narn, dessen einfaches Braun und Grau ihn geringer erschienen ließ als er war, aber dessen Haltung ihn als Krieger auswies.  Der zweite.... war ein Minbari, und auch als solcher gekleidet, im stolzen Kriegerschwarz, und er trug einen Metallstab wie jenen, den Susan Delenn abgenommen hatte.
      Marcus schrie etwa, das Sheridan nicht hörte, und sprang vorwärts.  Der Minbari drehte sich um, um seinen Angriff zu erwidern, und nach einer raschen Bewegung lag Marcus mit den Gesicht nach unten auf dem Boden.  Er versuchte aufzustehen, aber der Narn stellte einen gestiefelten Fuß auf seinen Rücken.  Sheridan blickte auf beide.
      „Keine Bewegung, oder sie stirbt,” murmelte er, aber dann fühlte er nur, wie der Atem aus seinem Körper wich, als eine große Kraft in seinen Magen schlug.  Na'Toth riß sich aus seiner Umklammerung und schaute zu, wie er fiel.  Sie hob seine PPG auf und hielt sie voller Abneigung.
      „Für einen großen Captain sind Sie nicht besonders klug,” sagte sie.
      „Nein,” flüsterte der Minbari.  „Er ist lediglich kein Diplomat, das ist alles.  Er ist ein Krieger.  Ich sehe es in seinen Augen.”
      „Sparen Sie sich Ihr Gerede über Kriegermut und Ehre,” krächzte Sheridan.  „Dann waren Sie es also,” sagte er zu Na'Toth.  „Sie haben Na'Far den Befehl erteil, mich zu verraten.”
      „Eigentlich nicht,” entgegnete sie.  „Ich war es nicht, aber ich weiß, wer es war.  Ich habe eine Frage an Sie, wenn Sie wieder anfangen zu atmen.”  Er starrte sie an und sie zuckte die Achseln.  „Sie haben das, was H'Klo heute im Rat gesagt hatte, wiedererkannt.  Wo haben Sie zuvor von dem uralten Feind gehört?”
      „Na'Far.... er flüsterte es, als....”  Sheridan atmete mühselig ein.  „Als er starb.  Und Delenn.”  Der Minbari zeigte keine sichtbare Reaktion, aber etwas Subtiles änderte sich in seiner Haltung.  „Sie.... Ich weiß nicht.  Sie hat es auch gesagt.”
      Na'Toth blickte auf den Narn und den Minbari.  Der Narn zögerte.  Der Minbari schwieg.
      „Es war schwarz,” erklang eine sanfte, rauhe Stimme.  Die von Marcus.  „So schwarz, daß meine Augen davon abglitten.  Eine Kreuzung zwischen einer Spinne und meinem schlimmsten Alptraum.  Als es erwachte, hörte ich es in meinem Verstand schreien.”  Na'Toth machte eine Geste, und der Narn nahm seinen Fuß von Marcus Rücken.  „Ich habe es gesehen.  Ich habe es vom Boden aufsteigen sehen.  Oh Gott, ich dachte, ich hätte es vergessen.”
      „Was?” flüsterte Sheridan.  „Was war es?”
      „Der uralte Feind,” antwortete Na'Toth.  „Vega Sieben wurde nicht von den Minbari zerstört, Captain, oder den Centauri, oder einer anderen Rasse, die Sie kennen.  Es wurde von einer Rasse zerstört, zeitlos und uralt, dunkel und furchtbar.  Sie erheben sich wieder.  Vega Sieben war der Beweis dafür.  Eines ihrer Schiffe war dort versteckt, und sie sind zurückgekehrt, um es aufzusammeln.  Wir sind die letzte Bastion der Hoffnung, die letzte Front gegen die Rückkehr dieses Feindes.  Sie versammeln wieder einmal ihre Kräfte auf ihrer Heimatwelt Z'ha'dum, und holen ihre Schiffe zu sich zurück.  Wir müssen uns bereithalten, wenn sie kommen, und das müssen Sie auch.”
      Z'ha'dum?  Er hatte den Namen schon einmal gehört.  Susan hatte ihn erwähnt....  Susan hatte....  „Ich glaube.... Ihnen.... nicht,” murmelte er.  „Ich....”  Ein gestiefelter Fuß krachte in seinen Schädel, und er verlor das Bewußtsein.
      Na'Toth blickte auf ihre beiden Begleiter.  „Schafft ihn hier raus.  Ha'Cormar'ah G'Kar wird ihn sehen wollen.”
      „Was ist mit seinem Schiff?” fragte Neroon.  „Sie könnten sich wundern, wo er ist.”
      „Dann sollen sie sich wundern.  Ich werde mir eine Ausrede ausdenken.  Falls sie zu mißtrauisch werden sollten, wäre es vielleicht einfacher, ihr Schiff abzuschießen.”
      „Und dieser hier?” fragte Ta'Lon und zeigte auf den ebenfalls bewußtlosen Marcus.
      „Nehmt ihn mit.  Er hat den Feind auch gesehen, und mag sich als eine bessere Wahl erwiesen, um an unserer Seite zu kämpfen, als Sheridan.”
      „Und was ist mit seiner Begleiterin?  Der Frau?”
      „Ich werde auch ihr Sheridans Verschwinden erklären.  Wenn es sein muß, wird sie ebenfalls verschwinden.  Ich habe Verbindungen zu der Thenta Ma'kur.”
      „Und wenn Sheridan nicht von Ha'Cormar'ah G'Kars Schrein in den G'Khorazhar-Bergen zurückkehrt?”
      „Dann werden wir uns darum kümmern, wenn es soweit ist.  G'Quan möge mit euch beiden sein, und mit G'Kar.”

*    *    *    *    *    *    *

In ihrem Quartier lächelte Susan Ivanova beinahe.  Bei all' ihren zweifellosen Prüfungen auf Abhörgeräte hatte Na'Toth das kleinste von allen übersehen, plaziert in Sheridan durch Susans Küsse.  Es war mächtig, und sogar teilweise lebendig, nur das kleinste Beispiel der Technologie ihrer Freunde.
      „Habt Ihr das gehört?” fragte sie.  Trotz des gegenteiligen Anscheins war sie nicht allein.  Sie war niemals allein.  „Gut.  Die G'Khorazhar-Berge sind westlich von hier, glaube ich wenigstens.  Es sollte leicht genug sein, diesen Schrein von G'Kar zu lokalisieren.  Wir können einfach dem Signal von Sheridans Transmitter folgen.
      „Ja, das denke ich auch.  Ein Krieger wäre am besten.  Könnte Ihr einen rechtzeitig dorthin schaffen?  Oh, gut.  Ich denke, daß nicht einmal G'Kar mit einem Krieger fertig werden kann.  Wenigstens nicht ohne seine beiden getreuen Diener.  Der Krieger kann uns folgen, so wie wir Sheridan folgen, und wenn wir nah genug sind, sollte es einfach sein, G'Kar aufzuspüren.
      „Sheridan?  Überlaßt ihn mir.  Er weiß ein wenig, das ist alles.  Sicherlich nicht genug, um eine ernsthafte Gefahr darzustellen.  Ich kann es schaffen, ihn zu überzeugen, daß Na'Toth diejenige war, die seinen Verrat auf Vega Sieben veranlaßt hat, und daß G'Kar mit den Minbari zusammengearbeitet hat.  Sheridan weiß bereits ein wenig über die Ranger, und er weiß, daß ihr und die Minbari alte Feinde seid.  Es mag ein wenig schwierig sein, aber ich kann ihn von zu tiefen Schnüffeln abhalten.  Alles, was er wissen muß, ist, daß ihr Feinde der Minbari seid und ihm gegen sie beistehen wollt.  Wenn G'Kar tot ist, sollte das einfach genug sein, und ihr werdet von einem lästigen Problem befreit sein.
      „Delenn?  Keine Sorge.  Ich habe Vorkehrungen getroffen, um mich um dieses Problem zu kümmern.
      „Vertraut mir.”



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